Kabul - Eine Schießerei in einem spanischen Polizei-Lager in Afghanistan, bei der vier Menschen getötet wurden, hat am Mittwoch wütende Proteste ausgelöst. Hunderte empörte Afghanen versuchten daraufhin, den NATO-Stützpunkt Qalaw-i-Naw in der Provinz Badghis zu stürmen. Im weiteren Verlauf ist es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Ein Arzt des örtlichen Krankenhauses berichtete von mindestens 18 verletzten Demonstranten, zum Teil mit Schusswunden. Nach Angaben von Einwohnern sollen die Demonstranten einen Teil des Truppengebäudes in Qalaw-i-Naw in Brand gesetzt haben.

Wie das spanische Innenministerium am Mittwoch in Madrid mitteilte, handelte es sich bei den Opfern der auslösenden Schießerei um zwei spanische Beamte der paramilitärischen Guardia Civil (Zivilgarde), einen Übersetzer und einen afghanischen Polizeischüler.

In dem Lager im Nordwesten Afghanistans hatte die spanische Polizei Ausbildungskurse für afghanische Beamte abgehalten. Nach Angaben des Ministeriums in Madrid hatte ein afghanischer Polizist bei einem Kurs das Feuer eröffnet und zwei spanische Beamte sowie deren Übersetzer getötet. Die spanischen Sicherheitskräfte erwiderten das Feuer und erschossen den Afghanen. Die näheren Hintergründe des Blutbads waren zunächst nicht bekannt.

Vor dem Lager versammelten sich Hunderte von empörten Afghanen. Sie verlangten nach spanischen Angaben die Herausgabe der Leiche des afghanischen Polizisten. Die Madrider Regierung widersprach ersten Berichten, wonach die Menge versucht habe, das Lager zu stürmen. Das Innenministerium in Kabul bestätigte den Vorfall und kündigte eine Untersuchung an. Die NATO-geführte ISAF äußerte sich zunächst nicht.

Kritik am US-Rückzug

Ein hochrangiger US-General hat unterdessen den von Präsident Barack Obama genannten Termin für den Rückzug aus Afghanistan kritisiert. Die Festlegung auf den Juli kommenden Jahres habe die Moral der Taliban gestärkt, sagte der Befehlshaber der Marineinfanterie, General James Conway, am Dienstag (Ortszeit). Nach Conways Ansicht ist ein Rückzug im Juli nicht zu realisieren: Seine Marines würden auf Jahre hin den umkämpften Süden des Landes nicht verlassen können, sagte Conway nach seiner Rückkehr aus Afghanistan in Washington. In anderen Landesteilen könnte eine Übergabe früher erfolgen, doch im Süden sei die Lage besonders schwierig.

In Anbetracht der zunehmenden Unpopularität des Einsatzes in den USA appellierte Conway an den Durchhaltewillen seiner Landsleute. Ein zu früher Rückzug berge Risiken: "Wir können entweder schnell verlieren oder langsam gewinnen", sagte er. Erst in der vergangenen Woche hatte der Oberkommandierende, General David Petraeus, Zweifel an dem für Juli 2011 geplanten Beginn der Truppenabzugs geäußert. Der Termin müsse anhand der Lage flexibel gehandhabt werden, sagte Petraeus.