Zur Roma-Politik Frankreichs und zur Haltung der EU schreibt die "Neue Zürcher Zeitung" am Freitag: "Die Rückschaffungen von Roma aus Frankreich nach Südosteuropa haben gezeigt, dass auch in der EU großartige Errungenschaften Kehrseiten haben können. Im Fall der Personenfreizügigkeit ist dies sicher die Möglichkeit des Missbrauchs. Aber auch gesetzliche Unschärfen könnten dafür verantwortlich sein, dass gesellschaftliche Gruppen, die den üblichen Mustern der Erwerbstätigkeit nicht entsprechen, durch die Maschen des Netzes fallen. Dass die EU-Kommission so lange zögerte, sich in die zeitweise hitzige Debatte über den angeblichen Missbrauch der Personenfreizügigkeit einzumischen, hat auch damit zu tun, dass das Thema in der Auseinandersetzung zwischen der Brüsseler Behörde und den Mitgliedstaaten gelegentlich zu einem Minenfeld wird."

Die Tageszeitung "Le Courrier Picard" aus dem nordfranzösischen Amiens schreibt: "Frankreichs Ansehen ist beschmutzt. Europa, die Vereinten Nationen, der Vatikan kritisieren seine Haltung. Ganz zu schweigen von den angelsächsischen Zeitungen, die (Staatschef) Nicolas Sarkozy an den Pranger stellen, weil er den humanistischen Werten entsagt hat (...) Die öffentliche Meinung ist geteilter. Aber die kirchlichen Würdenträger rufen ein ums andere Mal zu Toleranz auf und kritisieren den Schwenk in der Sicherheitspolitik scharf. (...) Frankreich ist gewiss nicht dazu berufen, alle Roma aufzunehmen. Es steht ihm aber auch nicht zu, eine Gemeinschaft mit Schande zu belegen, die bereits verstoßen genug ist."

Bulgariens Regierung nahe stehende Zeitung "Monitor" (Sofia) kommentiert: "Es geschah das, was bis vor kurzem als politisch inkorrekt galt: Frankreich wies Zigeuner aus Rumänien und Bulgarien aus. Auch Italien sowie weitere EU-Mitgliedstaaten planen, sie zurückzuführen. (...) Doch das Problem mit den Zigeunern ist in Rumänien und Bulgarien kein heimisches Problem. Es wurde uns von den Vorfahren der heutigen amtlichen europäischen Menschenrechtlern aufgezwungen. Deswegen ist die heutige Politik mehrerer europäischer Staaten bei diesem Problem zutiefst unmoralisch und von Doppelmoral durchsetzt. Unsere Zigeuner, die nun Europa überfluten, kehren ja nur in ihre Heimatgebiete zurück!"

Die links-liberale ungarische Tageszeitung "Nepszabadsag" meint: "Der Elysee-Palast sagt, dass Präsident Sarkozy keinen Feldzug gegen die rumänischen und bulgarischen Roma führe, sondern gegen 'das Verbrechen'. Was das Verbrechen betrifft, wäre dies auch in Ordnung, wenn das Ziel des Feldzugs derzeit nicht ausschließlich die Roma-Lager wären. So ist dieser Präsident, willentlich oder unwillentlich setzt er eine Volksgruppe mit der sich verschlechternden Kriminalitätsstatistik gleich. Dies gefällt, nebenbei gesagt, dem Publikum, denn die Roma aus Osteuropa in ihren Slums an den Stadträndern sind tatsächlich eine unangenehme Episode im französischen Drama. Ein Drama findet wohl statt, nur spielen darin nicht die Roma. Das Staatsbudget kämpft derzeit mit einem Defizit von acht Prozent, harte Sparmaßnahmen sind daher notwendig. (...) Also lenkt er (Sarkozy) vom Thema ab. Er tut so, als wären 15.000 bis 20.000 rumänische oder bulgarische Roma, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben gekommen sind, das größte Problem in dem 65-Millionen-Land."

Die linksliberale römische Tageszeitung "La Repubblica" vom Freitag sieht den französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy im Tief: "Einmal hat er erzählt, er lese beim Frühstück keine Umfragen, weil "sie immer anders ausfallen und man nach vorne schauen muss". So eine Schonkost könnte für ihn gerade in diesen Tagen nahe liegen, denn die jüngsten Umfragen, die er in Wirklichkeit wie so viele politischen Führer angespannt verfolgt, bringen böse Überraschungen. Ein unaufhaltsamer Sturz, der schwärzeste Sommer, seit Sarkozy in den Élysée eingezogen ist. Es begann mit der Bettencourt-Affäre und endet mit dem Bild Frankreichs, der Nation der Menschenrechte, angeklagt des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit. (...). Es gibt also all diese Attacken, und auch die Umfragen helfen ihm nicht. Nach dem schwarzen Sommer erwartet den Präsidenten somit ein heißer Herbst." (APA)