In den letzten sechs Artikeln haben wir die Gründe für frühzeitige Studienabbrüche in den USA analysiert und unseren Lösungsansatz beschrieben. In unserem letzten Teil wollen wir uns einer Taktik widmen, mit der mehrere US-Universitäten experimentieren: das Motivationspotenzial von Spielen positiv zu nutzen.
Spiele machen Spaß, sie fesseln, machen fast süchtig. Sie sind effektiv, wenn es darum geht, Aufmerksamkeit und Durchhaltevermögen zu erzeugen. Im Fall der Universitäten ist das Spiel der „Weg zum Abschluss" und der Preis der ersehnte Job. 

Für viele ist Lernen allein Belohnung genug, aber vor allem für „Abbruchskandidaten" sind die vielen Alternativen und Ablenkungen ihrer Welt stärker als der Drang, Wissen zu erwerben. Es liegt in der Natur der Menschen, Ergebnisse anzustreben, es ist spannend, diese zu erreichen. Noch spannender wird es, wenn dieses Streben mit einer sofortigen Belohnung lockt, die umso größer wird, je näher man an das eigentliche Ziel kommt: Wir bekommen Bonus-Meilen fürs Fliegen, Geschenke für den Einsatz der Kreditkarte, und der interaktive Fremdenführer Foursquare macht uns zu Bürgermeistern unserer Lieblingsplätze. Stellen Sie sich vor, wie viele Belohnungen eine Universität geben könnte, um das Lernverhalten positiv zu beeinflussen.

Manche dieser Belohnungen sind sozialer Natur. Webseiten wie Facebook haben uns gezeigt, dass wir für all unsere Aktivitäten Feedback bekommen. Augenblicklich erfahren wir, ob unsere Freunde gutheißen, was wir tun. Wenn man ähnliche Mechanismen in das Lernumfeld integriert, könnten Freunde wissen, wann man vor einer Prüfung steht, und einen entsprechend unterstützen. 

Studierende sollten Punkte sammeln können - und zwar viele - gegen einen materiellen Ausgleich. Um die Motivationsschwelle niedrig zu halten, sollten diese Punkte für simple Dinge vergeben werden: fürs Einloggen in den eigenen Account, für den Besuch einer Vorlesung, fürs Jobben oder für das Gegenlesen einer Seminar-Arbeit. Studenten sollten Punkte für Tutorentätigkeiten bekommen und für ihren persönlichen Fortschritt belohnt werden. Und - entsprechend unserem Prinzip des „Fehler-Erlaubens" - auch dann, wenn sie eine verpatzte Prüfung wiederholen. Punkte könnten getauscht werden - gegen einen Platz in überlaufenen Veranstaltungen, gegen Stipendien, gegen Kinderbetreuung, gegen Gratis-Bücher und vieles mehr.

Universitäten könnten so das Lernverhalten im Studium und die Spielregeln des Berufslebens prägen: Nicht nur fachliche und praktische Erfahrung, sondern auch Kooperation und Hilfsbereitschaft werden zu wichtigen Punkten in einem Lebenslauf. Wenn Universitäten schon mit den spannenden Alternativen der Studentenwelt konkurrieren müssen, sollten sie von denen lernen, die die stärksten Motivatoren anwenden. Was, wenn das coolste Spiel am Markt „Lernen" wäre? (Katherine von Jan, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.8.20109