
Hier wurde eindeutig nicht an der Ausstattung gespart: Adam Elliots charmante, generationenübergreifende Animationstragikomödie "Mary &Max - oder: Schrumpfen Schafe, wenn es regnet".
Wien - Mary Daisy Dinkle lebt Mitte der 1970er-Jahre in einer schäbigen kleinen Siedlung in Australien. Viele Dinge verwirren die Achtjährige - zum Beispiel ihre dauerbeschickerte Mutter, die der Tochter erzählt, sie sei ein Unfall gewesen, den ganzen Tag über Erwachsenengetränke "testet" und im Supermarkt und am Postamt Dinge "ausleiht" . Dort wird das sich selbst überlassene Mädchen immerhin zu einem entscheidenden Schritt animiert:In einem dicken Buch, dem New Yorker Telefonverzeichnis, sucht es sich per Zufallsauswahlverfahren einen Namen und eine Adresse und setzt sich noch am gleichen Abend hin, um einen Brief zu schreiben.
Der unbekannte Empfänger ist ein 44-Jähriger namens Max, der am Asperger-Syndrom erkrankt ist. Zwischen den beiden Außenseitern entwickelt sich über Ozeane und Kontinente hinweg eine innige lebenslange Brieffreundschaft - Mary und Max stellen einander nicht infrage.
Mary & Max, der mit dem deutschen Zusatz Schrumpfen Schafe, wenn es regnet einen Hinweis auf die Inhalte der Korrespondenz liefert, ist das Langfilmdebüt von Adam Elliot. Der australische Filmemacher hat sein Drehbuch allerdings nicht als Realspielfilm inszeniert, sondern als Animation - und zwar mit seinem bevorzugten Werkstoff Knetmasse.
Kreativ geknetet
Bereits vor Mary & Max, dessen Fertigstellung fünf Jahre dauerte, produzierte er eine Reihe von Miniaturen in dieser aufwändigen Form. Anders als die raueren Aardman-Figuren (Wallace &Gromit), die in Textur und Farbgebung tatsächlich das gute alte Plastillin evozieren, wirkt Elliots Entwurf, vor allem Max' New Yorker Welt aber glatt wie aus dem Rechner. Der weitgehende Farbentzug verstärkt diesen Effekt. Wäre da nicht die unglaubliche Detailversessenheit, das alles käme ein bisschen steril daher.
Dieselbe Detailversessenheit, die schon die Eingangssequenz zu einer Augenweide macht, rettet auch die Erzählung vor zu viel Sozialromantik. Und die Wendung rund um die Verwechslung von privater Vertrautheit mit der Lizenz zur Veröffentlichung ist in Zeiten, da elektronische Massenkommunikationsmittel den handschriftlichen Briefverkehr zwischen zweien abgelöst haben, überhaupt ein treffender Kommentar. (Isabella Reicher, DER STANDARD - Printausgabe, 28/29. August 2010)