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Schnell gewachsen, tief gefallen: Das Spielerparadies Las Vegas hat die meisten Pfändungen von Eigenheimen und die höchste Arbeitslosenrate in den USA.

Foto: AP/Hong

Die Wirtschaftskrise hat in den USA kaum eine Stadt so hart getroffen wie Las Vegas. Nirgends ist die Arbeitslosigkeit höher und nirgends verlieren so viele Menschen ihr Heim an die Bank.

3000 Zimmer, Casino, Theater, Kongresshallen samt Einkaufszentrum, elf Restaurants und 72 Bowlingbahnen: Das Cosmopolitan Ressort soll zum neuen Schmuckstück am Strip von Las Vegas werden. Direkt neben dem weltberühmten Bellagio und unweit des MGM-Grand ragen bereits die beiden Glastürme des Cosmopolitan empor. Noch ist das grandiose Hotel eine Baustelle, die pompöse Eröffnung erst für Dezember angesetzt. Mehr als drei Mrd. Dollar (2,4 Mrd. Euro) kostet der Bau, eine Investition, die sich keine Stadt entgehen lassen würde.

Trotzdem sitzt Chris Giunchigliani, Stadträtin von Las Vegas, in ihrem Büro nur wenige Straßen weiter und schüttelt den Kopf. "Ich habe inzwischen gelernt, dass man sich von diesem Glitzer nicht täuschen lassen darf. Wir stecken in der Krise und wir werden da die nächsten zehn Jahre nicht herauskommen." Sie ist zuständig für das Stadtviertel Paradise, das in den USA traurige Berühmtheit erlangt hat. 1,6 Millionen US-Eigenheimbesitzer wurden im ersten Halbjahr 2010 von ihrer Bank zwangsgepfändet, nirgends waren es pro Einwohner so viele wie in Paradise. Hier ist fast jeder zehnte Haushalt von "Foreclosure", einer Pfändung, betroffen.

El Dorado für Anwälte und Makler

Seit 44 Monaten liegt die Metropole in Nevada an der Spitze der US-Foreclosure-Statistik. Die staatlichen Hilfsprogramme – Washington bietet Hausbesitzern, die freiwillig verkaufen, die Übernahme ihrer verbleibenden Schulden an, Nevada hat ein verpflichtendes Mediationsprogramm für Bankgläubiger und Schuldner gestartet – konnten daran bisher wenig ändern.

Dagegen boomen neue Geschäftszweige in der Stadt. Las Vegas ist voller Werbung für Anwälte und Makler, die überschuldeten Heimbesitzern Hilfe anbieten. Sie bieten für tausende Dollar "Garantien" gegen Pfändungen an, oft ohne Gewerbelizenz und rechtswidrig. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in 230 Betrugsfällen.

Hotels bauten massiv Stellen ab

Doch Pfändungen sind nicht das einzige Problem von Vegas. Zwar besuchten 2009 rund 37 Millionen Touristen die Stadt. Doch sind es nur mehr die Schleuderpreise vieler großer Hotels, die massenweise Gäste anlocken. Zimmer sind unter der Woche bereits ab 40 Dollar zu haben. Um profitabel zu bleiben, mussten die Hotelketten tausende Mitarbeiter entlassen. Die Arbeitslosenrate in Nevada liegt bei 14,3 Prozent, derzeit der höchste Wert in den USA.

Wer Stadträtin Giunchigliani nach den Ursachen des Absturzes befragt, bekommt die Geschichte eines zu schnell gewachsenen Eldorados zu hören: Mit dem Wirtschaftsboom hat sich die Bevölkerung binnen zehn Jahren verdoppelt. Aber außer schicken Casinos wurde nichts gebaut, kein Gewerbe, keine Industrie angelockt. Als Folge kann sich Vegas nach dem tiefen Fall nicht mehr aufrappeln. Besonders hart hat es den Häusermarkt erwischt. 2007 entstanden fast im Wochentakt neue Siedlungen, jetzt wird nichts mehr gebaut.

Tiefpreise locken Schnäppchenjäger an

Paul Bell, Chef der Maklervereinigung von Vegas, verkauft dennoch fast so viele Häuser wie vor dem Crash. 4000 Eigenheime setzen seine Makler schon wieder monatlich ab. Durch die Pfändungen sind die Quadratmeterpreise um 50 Prozent und mehr gefallen. Große Häuser in bester Lage mit Garten sind oft für 100.000 Dollar oder weniger zu haben. Seit Anfang 2010 locken die tiefen Preise wieder tausende Investoren an.

Derzeit sucht jeder zweite Hauskäufer in Las Vegas ein Investitionsobjekt und keine Bleibe, sagt Bell. Die Käufer kommen aus aller Welt, besonders aus Kanada, China und Japan. "Viele Investoren glauben einfach an den Mythos von Vegas, daran, dass die Preise wieder steigen werden und sich alles mit einem schönen Gewinn verkaufen lässt", sagt Bell. Fast jeder zweite seiner Kunden legt den Kaufpreis sogar gleich in bar hin. Dass sich alle täuschen könnten und nur die nächste Preisblase entsteht, glaubt Bell nicht. "Irgendwann muss die Talsohle ja erreicht sein. Ewig kann der Absturz ja nicht dauern." (András Szigetvari aus Las Vegas, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.8.2010)