Peking lüftet das Geheimnis über den vier Tage lang geheim gehaltenen "inoffiziellen Arbeitsbesuch" von Nordkoreas Führer Kim Jong-il in Nordostchina. Am Montagabend bereiteten die CCTV- Abendnachrichten dem Rätselraten ein Ende. Zu dem Zeitpunkt war der 68-jährige Machthaber in seinem Sonderzug wieder in der Hauptstadt Pjöngjang zurück.

Doch ein Akteur, auf dessen Erscheinen alle gewartet hatten, war auf den chinesischen TV-Bildern vom Besuch Kims in vier Städten nicht zu sehen: der 27-jährige jüngste Sohn, Kim Jong-un, der als Nachfolger für die dynastische Familiendiktatur in dritter Generation gilt, war bei den Delegationsgesprächen mit Chinas Staatschef Hu Jintao nicht dabei und auch sonst nicht zu entdecken.

Kim und seine Entourage, der auch Schwager Jang Song-taek angehörte, der neuernannte Vizechef der Nationalen Verteidigungskommission, wurden beim Rundgang in einer Schule in Jilin gezeigt, auf der Staatengründer Kim Il-song 1927 bis 1930 lernte. Ebenso bei einer Besichtigung von Changchuns Eisenbahnfabrik, wo Chinas Hochgeschwindigkeitsbahnen hergestellt werden.

Japanischen Kameramännern war es zuvor in Jilin gelungen, aus Distanz Vater Kim in Begleitung eines jungen hochgewachsenen, weißgekleideten Mannes zu filmen, in dem Koreakenner seinen Sohn identifizierten. Kim Jong-un stand nicht auf der Einladungsliste, sagten eingeweihte chinesische Nordkoreaexperten. Er sei dennoch dabei gewesen. Sie wiesen darauf hin, dass er noch kein Amt habe und nach Pekinger Gewohnheit nicht als Sohn tituliert werden kann.

Sein Vater Kim Jong-il dürfte mit dem Ergebnis seines zweiten Chinabesuchs in drei Monaten zufrieden sein. Vor allem mit dem von der Agentur Xinhua hervorgehobenen Wunsch Hu Jintaos auf ein "gutes Gelingen des kommenden Parteitags der koreanischen Arbeiterpartei". Pjöngjang hat für September einen Parteitag einberufen, auf dem Sohn Kim Jong-un sein erstes Amt erhalten soll.

Ebenso wichtig waren für Diktator Kim und seinen herabgewirtschafteten Staat die Zusagen Hu Jintaos zu weiterer Wirtschaftshilfe und -kooperation. Peking garantiert auch für Nordkoreas Sicherheit nach "einigen neuen Entwicklungen auf der koreanischen Halbinsel seit dem Untergang des südkoreanischen Kriegsschiff Cheonan". Kim wiederholte seine Absicht zu "einer baldigen Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche" im Atomstreit. (Johnny Erling aus Peking/DER STANDARD, Printausgabe, 31.8.2010)