Große Gesten vor dem Milenij Grand Hotel erinnern an die imperialen Zeiten in Opatija.

Unterkunft: Milenij Hotels

Foto: Harmtodt

Da hat der Händler Iginio Scarpa Mitte des 19. Jahrhunderts eine schöne Lawine losgetreten. Vermutlich tat er das nicht einmal mit Absicht. Der Patrizier aus Rijeka hat nämlich seine beiden großen Lieben zusammengeführt und in Opatija an der kroatischen Adriaküste im Jahr 1844 eine imposante Villa für seine Frau gebaut, die alsbald auf wachsendes Interesse innerhalb der ganzen Familie stieß und damit den Tourismus in dem einstigen Fischerdörfchen einläutete.

Allerdings hieß das in diesen Tagen natürlich nicht ordinär "Tourismus", sondern man begab sich auf Sommerfrische, genoss das mediterrane Klima, das sanfte Glucksen des Meeres und hielt sich überhaupt lieber in dem großzügigen Garten auf als in den Wogen der Adria. Es war dereinst auch nicht einfach, vom Land ins Wasser zu wechseln, ist doch die Küste von Opatija vor allem eine steinige mit spitzen Felsen. Die Beschaffenheit des Ufers hat sich bis heute kaum verändert. Allerdings wurde es den Bedürfnissen der zunehmend badenden Gästeschaft angepasst. Das heißt, heute liegen Sonnenhungrige auf Betonflächen und gehen über Betontreppen ins Wasser.

Ziemlich bald hatte sich bei betuchten Erholungsuchenden aus allen Teilen des österreichisch-ungarischen Imperiums herumgesprochen, dass es sich in Opatija gar vortrefflich flanieren lasse, und die Hotels schossen wie die Pilze aus dem schroffen Boden. 1884 wurde das Hotel Quarnero eröffnet, 1885 folgte das heutige Hotel Imperial, und bereits 1888 empfing man die züchtig verhüllten Badegäste im neuen, hölzernen Badehaus - das unglücklicherweise einem Feuer zum Opfer gefallen ist und an dessen Stelle heute ein etwas traurig anmutender Betonplatz liegt. Die Hotels jedoch gibt es noch. Eingehüllt in eine etwas nebulöse Wolke aus immerwährender Aristokratie, die aus dem Ort einfach nicht mehr hinauszubekommen ist, sind sie auch heute noch Unterkunft für Gäste aus ganz Europa.

Viele dieser Besucher wollen einfach auch einmal ein bisschen Kaiserluft schnuppern und suchen in allen Ecken und Winkeln nach versteckten Hinweisen auf königliche Spuren. Fündig werden sie allemal - auf Speisekarten, Hotelschildern, am Kuchenbuffet oder im Wellness-Center. Franz und Sisi müssen für Torten, Milchkaffee und Massagen herhalten, jeder soll einmal Prinz und Prinzessin sein dürfen.

Flaniert man heute durch Opatija, so darf man sich der Tatsache bewusst sein, dass vor etwa 100 Jahren noch zarte Adelsfüßchen diesen Boden betreten haben. Franz Joseph I., Franz Ferdinand, Ferdinand Maximilan, Elisabeth, die belgische Prinzessin Stephanie oder der deutsche Kaiser Wilhelm II. - alle waren sie hier und haben der Kvarner Bucht ihre blaublütige Ehre erwiesen. Vor allem Franz Joseph I. ist noch heute stets präsent, die zwölf Kilometer lange Uferpromenade trägt seinen Namen.

Kurze Wege

Auch an vielen anderen Stellen tauchen sein Name und Anekdoten über das österreichisch-ungarische Imperium auf, und Fremdenführer erzählen mit Vorliebe Geschichten rund um das Herrscherhaus. Bei den kurzen Wegen, die zwischen den vielen Sehenswürdigkeiten zurückzulegen sind, füllen sie die Leere des Vortrags. Dass etwa Sisi die Sommerfrische dafür benutzte, um - gerne auch ohne den Kaiser - etwas frischen Wind in ihr Liebesleben zu bringen, ist ein unbestätigtes Gerücht, welches sich noch mehr als 100 Jahre später hervorragend für ein anzügliches Tratscherl im Café eignet. Es sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass der Kaiser sich seinerseits währenddessen mit Katharina Schratt vergnügte, für die er auch gleich eine Villa in Opatija bauen ließ, angeblich mit unterirdischem Geheimgang.

Nicht jeder war geneigt, in einem Hotel abzusteigen, viele zogen es vor, sich vom Rest abzugrenzen und ihr privates Refugium an die Küste zu bauen. Diese Villen im Stil der Jahrhundertwendearchitektur hatten dann auch Zugang zum Meer. Die Felsküste wurde so bebaut, dass man bequem ans Wasser gelangen konnte, und jede Villa verfügte über ein kleines Umkleidehäuschen direkt am Strand. Nachdem dann mit Monarchie und Adel Schluss war, ging es erst mal bergab mit dem Kurort. Während des Kommunismus spezialisierte man sich darauf, sich mit einigen architektonischen Hässlichkeiten beeindruckenden Ausmaßes zu verewigen. Heute gehören sie genauso zum Ortsbild wie die Prachtvillen des Adels.

Seit Mitte der 1990er-Jahre wurden viele Villen zu zentralen Bauelementen sich neu ansiedelnder Hotels, welche die altehrwürdigen Häuser für ihre Zwecke verwendeten. Zum Großteil wurde sehr einfühlsam um die einstigen Sommerresidenzen herumgebaut, die Fassaden blieben erhalten und damit auch das Flair des Kurorts. Die Qualität als ein solcher verdankt Opatija dem ganzjährig milden Klima, das im Sommer nicht zu heiß und im Winter nicht zu kalt ist - und natürlich Kaiser Franz Joseph II., der Opatija durch ein Dekret 1889 offiziell zum Kurort ernannte. Und wo schon der Kaiser kurte, dort wollte und will auch das gemeine Volk etwas für seine Genesung tun - und sich ein bisschen im Dunstkreis der Schönen und Reichen sonnen.

Auch sonst nutzt man die ehemalige Adelspräsenz gekonnt für den modernen Tourismus in Opatija. In den Milenij Hotels etwa stößt man ständig auf die Kaiserin Elisabeth und ihren großzügigen Begleiter. Ob es Sisi, die doch so sehr auf Privatsphäre bedacht war, gefallen hätte, dass man heute eine Wellness-Behandlung in ihrem Namen buchen kann, lässt sich schwer beurteilen. In Anbetracht der Tatsache, dass die Kaiserin viel Wert auf körperliche Fitness und Schönheit legte, ist es aber durchaus möglich. Allerdings haben Streichelmassagen und Blütenbäder wenig mit den Trimmmaschinen der einstigen Kaiserin gemein.

Wo damals die Damen in langen Kleidern vorsichtig Federball spielten, baggern heute vorwiegend Gäste aus Österreich, Deutschland und Italien die Bälle übers Netz. Wo sich der Adel dereinst unter Sonnenschirmchen versteckte, erschwitzt man sich heute beim stundenlangen Liegen die begehrte Urlaubsbräune. Hat man anno dazumal noch heimlich seine Affären gepflegt, so wird heute in den Bars geflirtet und gefeiert bis zum Morgengrauen. Das Publikum hat sich verändert, das Flair ist geblieben - und wird auch beibehalten. (Mirjam Harmtodt/DER STANDARD/Printausgabe/28.08.2010)