Bild nicht mehr verfügbar.

Eine der 200 Besucherinnen von Gaddafis Vortrag. Drei Frauen sollen angeblich zum Islam konvertiert sein, was einzelne Medien erzürnt.

Foto: Reuters/Rossi

Mit einem Appell an Europa, sich für den Islam zu entscheiden, hat der libysche Staatschef Muammar Gaddafi in Rom Irritationen ausgelöst. Der 70-jährige Staatsgast sprach in der libyschen Botschaft vor 500 jungen Frauen über die Vorzüge des Islam und händigte jeder einen Koran aus. Höhepunkt der exzentrischen Show: die Konversion dreier Mädchen zum Islam. "Ich fühle mich wie gereinigt", sagte die aus Albanien stammende Rea Beko den Journalisten.

Es habe sich nicht um eine spontane, sondern um eine bereits vorbereitetet Aktion gehandelt, erklärten mehrere der Anwesenden. Die Mädchen waren gegen Bezahlung von 80 Euro von einer Hostessenagentur angeworben und dazu verpflichtet worden, keine Details an die Presse weiterzugeben. Einige schilderten die Ausführungen Gaddafis als "interessant", andere als "langweilig". Die meisten erklärten, nur wegen der Bezahlung gekommen zu sein.

Wer ernsthaft am Islam interessiert sei, werde nach Libyen eingeladen, um die Kenntnisse zu vertiefen, versprach der Staatschef. Auch Ehen mit libyschen Männern seien begrüßenswert, da Italien und Libyen nunmehr befreundete Staaten seien. "Frauen genießen in Libyen große Freiheit", versicherte der Staatschef.

Gaddafis Auftritt wurde von der Opposition scharf kritisiert, löste aber auch im katholischen Flügel des Rechtsbündnisses Befremden aus. Die Christdemokraten beanstandeten das Schweigen der Regierung als "unerhört": "Wenn ich nach Tripolis fahre und die Menschen dort auffordere, sich zum Christentum zu bekehren, komme ich nicht mehr lebend zurück", so Ex-Parteichef Rocco Buttiglione.

Die Linksopposition prangerte die "Narrenfreiheit" des Staatsgastes an, "in Rom nach Belieben tun und lassen zu können", was er wolle. Vergleichbares sei in keinem anderen EU-Staat vorstellbar. Gianfranco Finis Stiftung "Fare Futuro" erklärte, Gaddafi habe "Italien zu seinem Disneyland" gekürt. Die Lega Nord erklärte, Gaddafi führe sich auf "wie ein orientalischer Teppichhändler" und warnte die Regierung davor, einer Erhöhung der siebenprozentigen libyschen Beteiligung an Unicredit zuzustimmen.

Premier Silvio Berlusconi fand am Verhalten seines Gastes nichts auszusetzen. Es handle sich lediglich um "Folklore". Amnesty International forderte den Regierungschef auf, "die schweren Menschenrechtsverletzungen und Folterungen in Libyen" zur Sprache zu bringen.

Am Sonntag brachte Gaddafi nach 23 Uhr die italienischen Sicherheitskräfte mit einem spontanen Spaziergang durch die Altstadt in Verlegenheit. Er setzte sich am Campo de' Fiori in ein Lokal, mischte sich unter die Leute und unterhielt sich auf der Piazza Navona mit nordafrikanischen Wanderhändlern, denen er für 300 Euro einige Ringe abkaufte.

Italiens Medien übten am Montag scharfe Kritik am "Zirkus Gaddafi" und an den "bizarren Auftritten des peinlichen Alliierten", dessen zahlreiches Gefolge sich in 70 Mercedes-Limousinen bewegt.

Dessen ungeachtet lud der unberechenbare Staatsgast am Montag erneut mehrere hundert Mädchen zu einer Islam-Lektion. Sie wurden mit Autobussen zur Botschaft gebracht und vor der Presse abgeschirmt.

Das offizielle Festprogramm zum zweiten Jahrestag des Freundschaftsabkommens sollte gegen Abend mit der Eröffnung einer Tagung und Fotoausstellung durch Berlusconi und Gaddafi beginnen. Höhepunkte sind Auftritte der Carabinieri-Pferdestaffel und der 30 eingeflogenen Berberpferde, die von Beduinen geritten werden. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 31.8.2010)