
Harri Stojka in der indischen Wüste, dort wo seine Musik ihren Ursprung hat. Zu sehen in Klaus Hundsbichlers "Gypsy Spirit".
Wien - Harri Stojka sehnt sich nach einer "Tschocklaad" und einem Platz zum Üben, sein Kompagnon Mosa Sisic hätte gerne Rindsuppe und einen geregelten Stuhlgang. Gleich zu Beginn macht Klaus Hundsbichlers Film Gypsy Spirit: Harri Stojka - Eine Reise klar, dass Reisen mit gewissen Entbehrungen verbunden sind. In den folgenden 90 Minuten überwiegt freilich die Freude.
Die beiden befinden sich auf musikalischer Spurensuche in Rajasthan. Dort, im Nordwesten Indiens, nahm im 14. Jahrhundert der Exodus der Roma seinen Ausgang, befinden sich somit die Wurzeln des Wiener Jazzgitarristen Stojka. Mit seinem Violinisten Sisic und einem unsichtbaren Filmteam möchte er vor allem die Herkunft seiner Musik erkunden.
Woher kommt der "Gypsy Soul"? Unterwegs treffen sie indische Musiker. Einige von ihnen werden von Stojka nach Wien eingeladen, proben mit dessen und einer rumänischen Band, um schließlich im Jazzclub Porgy & Bess ein umjubeltes Konzert zu spielen.
Der Film verzichtet auf Kommentare über die Verfolgungsgeschichte der Roma oder ihre gegenwärtigen Anfeindungen. Auch die Klischees einer Abenteuerreise werden, obwohl die Erlebnisse der durchaus schmähbefähigten Stadtmenschen sicher genug Material geboten hätten, nur gestreift. Eine kurze Busfahrt, ein schneller Schuhkauf müssen genügen, im Mittelpunkt steht die Musik. So hanteln sich Harri und Mosa von einer Jam-Session zur nächsten. Das freie Spiel gerät dabei nur in wenigen Fällen zum reinen Neben- oder Nacheinander, meist stellt sich bereits in kürzester Zeit ein für alle Musiker beglückendes Miteinander ein.
So leicht wie das gemeinsame Improvisieren erscheint, so ist der gesamte Film. Spaziergänge durch die Wüste und über den Wiener Brunnenmarkt wechseln sich ebenso ab wie musikalische Kommunikationsversuche in Hütten und das finale Konzert im Porgy. Dabei schweben über allem die lakonischen Kommentare Stojkas, der sein Selbstbewusstsein und seine Begeisterung für das Neue offen zur Schau trägt. Dabei entsteht etwas, das mehr ist als die Summe der einzelnen Teile und das Musterbeispiel einer kulturellen Begegnung auf Augenhöhe. (Dorian Waller, DER STANDARD - Printausgabe, 1. September 2010)