Gesundheit: Milliardenausgaben, aber kein Plan

Als Musterbeispiel, wie man ein System nicht organisiert, qualifizieren Kritiker das Gesundheitswesen. "Ineffizienzen, Doppelgleisigkeiten, Intransparenz, Zielkonflikte, Steuerungsdefizite" attestiert die eingesetzte Arbeitsgruppe zur Verwaltungsreform dem undurchschaubaren Kompetenzgeflecht zwischen Bund, Ländern, Gemeinden und Krankenkassen: "Eine österreichweite Planung fehlt." Dies führe dazu, dass Geld am falschen Ende ausgegeben werde. Während Pflegeeinrichtungen fehlten, gäbe es viel zu viele - und besonders teure - Akutbetten in den Spitälern. Würde die Zahl auf EU-Niveau gesenkt, könnten 2,9 Milliarden freigeschaufelt und anderweitig sinnvoller eingesetzt werden.

Diese Kritik ertönt seit Jahren. Wer nach den Gründen fragt, warum sich trotzdem nichts ändert, gerät rasch in den für den heimischen Föderalismus typischen Kreislauf der Schuldzuweisungen. Beispiel: Bundespolitiker kritisieren die Länder, die sich aus Angst vor Wählerzorn und Einflussverlust an jeden Spitalsplatz klammerten. Diese verweisen auf die Krankenkassen, die am Land kein alternatives Angebot schaffen würden. Letztere spielen den Ball zurück - und klagen etwa über den vom Bund diktierten Sparzwang. Das Gegenmittel der Experten ist die "Finanzierung aus einer Hand", was so viel heißt wie: Wer zahlt, schafft an. (jo)

Verwaltung: Regional und doch europäisch

Innerhalb der Europäischen Union sieht der Direktor des Föderalismusinstituts, Peter Bußjäger, derzeit eher eine Tendenz in Richtung "Regionalisierung". Eine Verwaltung nur mehr auf EU- und etwa Gemeindeebene sei "abstrakt schwer zu diskutieren".

Grundsätzlich gelte, dass immer mehr Staatsaufgaben zu "gemeinsamen Aufgaben" würden. So würden derzeit etwa bereits grenzüberschreitende Spitalsaufenthalte geregelt.

Eine weitere Herausforderung sei das Bildungssystem: Dieses sei noch immer stark "national verhaftet" und beginne sich erst langsam zu "europäisieren".

Mehr "Balance" zwischen EU-, Bundes- und Länderverwaltung scheint Bußjäger derzeit allerdings noch regelrecht "visionär". Durch den Vertrag von Lissabon gelte das Subsidiaritätsprinzip. "Es schaltet sich per Vertrag also nur dann eine höhere Ebene ein, wenn die untere Ebene ihre Aufgaben nicht erfüllt", erklärt Bußjäger: Wächter sei der EuGH. Dieser verhalte sich derzeit aber eher zurückhaltend. Sollte sich der Europäische Gerichtshof aber mehr einbringen, könnte es "spannend werden". Und auch weniger zentralistisch. (ver)

Politische Vertretung: Volksabstimmung für Änderungen nötig

Eine Abschaffung der Landesgesetzgebung und der Landtage würde das demokratische Prinzip in Österreich nicht gefährden, meint der Verfassungsrechtler Heinz Mayer: Zwar ist derzeit vorgesehen, dass die Länder genauso demokratisch verfasst sein müssten wie der Bund - eine Gesamtänderung der Verfassung zur Verschlankung des Systems sei aber denkbar (wenn die Bürger in einer Volksabstimmung zustimmen).

Praktikabel wäre etwa, dass die Landesverwaltungen nur noch Vollzugsaufgaben haben - ohne einer gesetzgebenden Körperschaft auf Landesebene verantwortlich zu sein. Dem demokratischen Prinzip widerspreche das nicht, meint Mayer. Man müsse eben eine andere Verantwortlichkeit schaffen - entweder gegenüber dem Bundesrat oder gegenüber einem nur zu Kontrollzwecken (Stichwort: Untersuchungsausschuss) einzuberufenden Landtag, der aber keine Gesetzgeberfunktion mehr hätte.

In einem solchen System läge alle Hoheitsbefugnis beim Bund, die Länder hätten aber nicht nur Vollziehungsaufgaben, sondern könnten sich um Fragen der unmittelbaren Daseinsvorsorge und Regionalförderung kümmern. (cs)

Geld: Wahnwitzige Form der Finanzierung

Das "Hauptproblem" des heimischen Föderalismus, sagt Hans Pitlik, ist in einem legistischen Ungetüm verpackt. Selbst der Experte des Wirtschaftsförderungsinstituts durchblickt nicht jedes Detail des Finanzausgleichgesetzes, nach dem das Steuergeld zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verteilt wird. Aus der wirren Kompetenzverteilung resultiere eine "wahnwitzige Form der Mischfinanzierung". Folge: Jeder rede mit, doch keiner fühle sich voll verantwortlich, gemeinsame Planung fehle - "und das verteuert das System ungemein". Auch dass Österreich mit 15 Milliarden im Jahr - 8,3 Mrd. schütten Länder und Gemeinden aus - EU-Spitze punkto Subventionen ist, führt Pitlik unter anderem auf föderalen Wildwuchs zurück.

Die Entflechtung der Geldströme wäre die Mindestlösung. Radikalere Kritiker fordern eine Entmachtung der Länder - oder umgekehrt. Pitlik hielte für heilsam, wenn auch die Länder künftig Steuern einheben müssten. Derzeit bleibt diese lästige Pflicht dem Bund, während die Regionalkaiser überwiesene Milliarden mit Vergnügen ausgeben - und seit dem letzten Finanzausgleich noch freiere Hand haben als früher. (jo)

Schule: Die Crux mit den Landeslehrern

Bei der Diskussion um die Schulverwaltungsreform ist die Gretchenfrage seit Jahren: mehr Kompetenzen für den Bund oder doch lieber die Autonomie der Länder stärken? Denn die wollen traditionellerweise "ihre" Landeslehrer behalten - und die Bundeslehrer am liebsten gleich dazu. Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) möchte wiederum die Einflussmöglichkeiten des Bundes erhöhen und denkt eher in umgekehrte Richtung. Altbundeskanzler Franz Vranitzky (SPÖ) stärkte der Ministerin in dieser Frage am Dienstag den Rücken und beklagte, dass sich der österreichische Föderalismus zwar als Gegenstück zum Zentralismus verstehe, "in Wirklichkeit stehen der Regierung aber neun Kleinzentralisten gegenüber".

Eine Schwachstelle hat das derzeitige System vor allem in der Abrechnung: Die Kosten für die derzeit 77.000 Landeslehrer (Pflichtschulbereich) werden den Ländern im Finanzausgleich zur Gänze vom Bund rückerstattet. Nur: Alle neun Länder überziehen regelmäßig die ausverhandelten Stellenpläne, 2008/2009 um 1742 Posten. Das kostet den Bund jährlich zehn Millionen Euro zusätzlich, weil die Länder nicht die vollen Kosten refundieren. Ein entsprechender Entwurf Schmieds für eine neue Kostenkontrolle der Landeslehrer wurde seitens der Regierung vorerst auf Eis gelegt. (juh)


(alle Artikel: STANDARD Printausgabe, 1.9..2010)