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Recep Tayyip Erdogan

Foto: Reuters/UMIT BEKTAS

Erledigen wir zuerst einmal das Formale. Der türkische Regierungschef, seit 2002 im Amt, seit 1969 in der Politik, heißt Recep Tayyip Erdogan, und das ist schon das Problem. Er mag seinen ersten Vornamen nicht. In unseren Kreisen ist das meist umgekehrt. Da stehen die peinlichen Taufnamen in der Mitte und fliegen nur bei Passkontrollen unter Freunden auf oder sind im schlimmsten Fall auf die Kreditkarte gestanzt, weil es der Bankangestellte ganz genau genommen hat. Bei einem Mann, der so im Rampenlicht der Öffentlichkeit gedeiht wie Erdogan (sprich: Erdo-an), ist das eher schwierig.

Der türkische Premier wirkt deshalb pädagogisch. In Reden und Fernsehauftritten spricht er von sich selbst als "Tayyip Erdogan", und die Türken haben es längst akzeptiert und nennen ihn "Tayyip" oder höflicher noch den "Başbakan" (sprich: Baschbakan), den Premierminister. Nur einer nicht: Kemal Kilicdaroglu, der neue Oppositionsführer, hat nun "Recep Bey" erfunden, den "Herrn Recep". Klingt leger und folgt den türkischen Gepflogenheiten (Vorname und "Herr" oder "Frau" – "Bey" oder "Hanim"), ist es aber nicht. Kilicdaroglu (sprich: Kilitschdarolu) greift "Recep Bey" jeden Tag in einer anderen Stadt bei Kundgebungen an und versucht, seinen politischen Gegner ausgerechnet an dessen größter Stärke zu kriegen – der ausgeprägten Volksnähe.

Das soll funktionieren, weil Recep ein sehr verbreiteter Vorname ist, der dazu noch als ein wenig hinterwäldlerisch gilt. Die Recep-Figur hat deshalb auch in den Sprachgebrauch Eingang gefunden: "Atma Recep din kardeşiyiz." – ungefähr: "Wer's glaubt, wird selig." Was bei einem so gläubigen Politiker wie Erdogan wahlwerbetechnisch schon in gefährliche Gewässer führt.

Den Rufnamen "Tayyip" hat Erdogan von seinem Vater, einem streng gläubigen Muslim aus Rize an der Schwarzmeerküste erhalten. "Tayyip" kommt – wie auch "Recep" – aus dem Arabischen und bedeutet "gut, "sauber", "anständig", also alles, was das konservative Vaterherz wünscht. "Rajab" wiederum ist einer der heiligen Monate des muslimischen Kalenders, der durch die Jahre flottiert. 1954, im Geburtsjahr Erdogans, fiel der Rajab auf den März; Erdogan war allerdings einen Monat vorher auf die Welt gekommen, am 26. Februar, damals der Monat Jumada al-Thaniya – auch keine echte Namensverbesserung.

Wohl unter dem rhetorischen Ansturm seines Herausforderer Kilicdaroglu hat Erdogan so etwas wie Frieden mit seinem Vornamen gemacht. Erdogans Anwalt beantragte kürzlich ein Copyright auf das Namenskürzel RTE. Es wird vielleicht Erdogans Trademark für die zweite Phase im Premiers- und dann im Präsidentenamt, auf die er und seine Anhänger nach einem Erfolg beim Verfassungsreferendum am 12. September setzen. Eine Webseite dazu gibt es auch, Fotoalbum inklusiv. Wir halten es erst einmal mit "Tayyip". Dunkles "i" ohne Punkt im Türkischen.