Forschung wird im Herbst wieder einmal weniger auf Papier als durch Events vermittelt.

Foto: Friesenbichler

Am 18. Mai lichtete die MS Wissenschaft in Berlin ihren Anker. An Bord des umgebauten Frachters, der seit 2003 jährlich im Dienste der Wissenschaftsvermittlung auf deutschen Wasserstraßen unterwegs ist, befindet sich die interaktive Ausstellung "Energieversorgung der Zukunft - Erneuerbare Energien". Im September macht das Ausstellungsschiff erstmals auch einen Abstecher nach Österreich.

"Unser Ziel ist es, möglichst viele junge Menschen zum Besuch der MS Wissenschaft zu motivieren und Neugierde auf und Interesse für Forschung und speziell für Grundlagenforschung zu wecken", erklärt Christoph Kratky, Präsident des Wissenschaftsfonds FWF. Auf dessen Initiative - unterstützt von Wissenschafts- und Verkehrsministerium - wird das Ausstellungsschiff in Wien, Krems und schließlich Linz vor Anker gehen. Träger des Projekts ist Wissenschaft im Dialog (WiD), eine Gemeinschaftsinitiative der deutschen Wissenschaft.

Berühren erwünscht

Die Ausstellung ist für Kinder ab zehn Jahren geeignet. Noch vor Schulschluss haben sich, sagt Kratky, in Wien 850, in Krems 300 und in Linz 940 Schüler für einen Besuch an Bord angemeldet. Ihnen soll, "möglichst interaktiv" (Kratky), also zum "Begreifen" und Ausprobieren, das "Zukunftsthema Energie" und die Forschung daran in allen möglichen Facetten vorgeführt werden - von erneuerbaren Energien über die Kernfusion und fossile Brennstoffe bis zum Energiemanagement. Die beiden österreichischen Exponate widmen sich jeweils den "Erneuerbaren". Das ist zum einen das weit über die Grenzen des Landes bekannte "Modell Güssing", das Projekt einer burgenländischen Kleinstadt, die es, basierend auf lokaler Energieerzeugung mit allen vorhandenen erneuerbaren Ressourcen, geschafft hat, energieautark und zum Energieexporteur zu werden.

An der Konzeption und Umsetzung dieses Modells waren und sind Hermann Hofbauer und sein Team vom Institut für Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften der TU Wien beteiligt. So steht in Güssing eine Pilotanlage für Zwitter aus Kraftwerk und chemischer Fabrik. Dort werden die Erzeugung von Strom und Wärme mit der Produktion der Synthesegase Wasserstoff und Kohlenmonoxid kombiniert.

Ausgangsstoff dafür ist Biomasse. Die entstehenden chemischen Komponenten können vor Ort zu künstlichen Brennstoffen wie Erdgas und flüssigen Treibstoffen wie Diesel weiterverarbeitet werden. "Wir bringen die klassischen Kraft-Wärme-Kopplungen mit ihrem hohen Wirkungsgrad mit chemischen Reaktoren in einer einzigen Anlage zusammen", schildert Hofbauer. "Wir erreichen sehr hohe Wirkungsgrade von über 80 Prozent. Dabei können wir die Ausbeute an den Endprodukten Strom, Wärme, Synthesegas und Treibstoff je nach aktuellem Bedarf abstimmen und so auch auf kurzfristige Markterfordernisse eingehen." Ein Film zeigt die Entstehungsgeschichte des Projekts, außerdem soll dem jungen Publikum auf der MS Wissenschaft gezeigt werden, wie aus Biomasse Strom entsteht.

Stromleitende Kunststoffe

Ein weiterer Kurzfilm soll die Funktionsweise organischer Solarzellen, eine Errungenschaft des Instituts für organische Solarzellen (Lios) am Institut für physikalische Chemie der Johannes-Kepler-Universität in Linz, begreifbar machen, wie dessen Leiter Niyazi Serdar Sariciftci schildert: "Wir haben ein Video vorbereitet, das zeigt, wie ein Sonnenstrahl in die Materie eindringt und elektrische Ladungen erzeugt." Mit dieser "lichtinduzierten Ladungsgenerierung" arbeite jede Fotovoltaikzelle. Im Unterschied zu herkömmlichen Solarzellen aus Silizium bestehen organische Solarzellen aus Polymeren und Molekülen, sprich: elektrisch leitenden Kunststoffen, erklärt Sariciftci.

"Die Zellen sind transparent, biegsam und dünn wie Folien und werden bereits in Taschen, Regenschirmen etc. integriert", sagt Sariciftci. Ein weiterer Vorteil sei die preisgünstige Herstellungsweise.

Das Wissenschaftsschiff wird aber noch einige Male die Donau auf- und abwärts fahren müssen, bis die organischen Solarzellen die Leistung und Lebensdauer herkömmlicher Siliziumsolarzellen erreicht haben werden, wie Sariciftci einräumt: "Es wird noch jahrelange Arbeit notwendig sein." Das Ausstellungsschiff, die "Lange Nacht der Forschung", das "Wiener Forschungsfest" (siehe Artikel unten): Rund um die Forschung ist eine Eventkultur entstanden. Dem kann Christoph Kratky nur bedingt zustimmen: "Nicht die Forschung, sondern die Kommunikation wissenschaftlicher Ergebnisse wird verstärkt in Formaten transportiert, die man als Events bezeichnen kann." Er sieht darin aber in erster Linie eine Möglichkeit, eine breite Öffentlichkeit für Grundlagenforschung zu sensibilisieren. Dies sei schließlich auch ein gesetzlicher Auftrag an den FWF. (Markus Böhm/DER STANDARD, Printausgabe, 01.09.2010)