Die katholische Kirche in Deutschland will Missbrauch in den eigenen Reihen künftig besser aufklären und früher Licht ins Dunkel bringen. Die neuen Leitlinien gelten zunächst drei Jahre lang

"Ich bin froh, dass wir unser Versprechen vom Frühjahr halten konnten", sagte Stefan Ackermann, Bischof von Trier, am Dienstag bei der Präsentation der neuen Leitlinien. Er war im Frühjahr von der Bischofskonferenz zum Beauftragten für Missbrauchsfälle ernannt worden, als sich immer mehr Opfer gemeldet und von sexuellen Übergriffen in kirchlichen Einrichtungen berichtet hatten. Daraufhin beschlossen die Bischöfe, die Leitlinien von 2002 zu überarbeiten.

Zentraler Punkt des neuen Reglements soll eine bessere Zusammenarbeit mit den Strafbehörden sein. Im Missbrauchsskandal war den kirchlichen Stellen sogar von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) vorgeworfen worden, sie würden nicht ausreichend mit staatlichen Stellen kooperieren, weil sie die Angelegenheit lieber intern regeln wollten. In Zukunft werden die staatlichen Behörden grundsätzlich informiert, "sobald tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht eines sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen vorliegen", betonte Ackermann.

Opfer kann Anzeige untersagen

Davon wird jedoch ausnahmsweise Abstand genommen, wenn das Opfer eine staatliche Strafverfolgung ausdrücklich nicht wünscht und dies auch keinen gesetzlichen Regelungen widerspricht. Ackermann: "Hier galt es, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Anzeigenpflicht und der Gewährleistung eines Opferschutzes zu erreichen."

Gleichzeitig zu den staatlichen Ermittlungen soll es in jedem Missbrauchsfall auch weiterhin kircheninterne Untersuchungen geben. Bei diesen beiden parallel laufenden Verfahren dürfen jedoch die staatlichen Ermittlungen "nicht behindert werden".

Auch auf ihr Personal wollen die katholischen Hirten künftig ein besseres Auge werfen. Wer haupt- oder ehrenamtlich mit Kindern und Jugendlichen arbeitet, muss ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Mutmaßliche Täter sollen nicht mehr in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen eingesetzt werden. Dies war, als die Missbrauchsvorwürfe immer lauter wurden, einer der Hauptkritikpunkte. Der Kirche wurde vorgeworfen, sie versetze Täter einfach, ohne sich um das Problem zu kümmern.

Beraterstab

Die neuen Grundsätze gelten ab dem 1. September einheitlich in allen deutschen Diözesen. Den Ordensgemeinschaften, die nicht in die Zuständigkeiten der Bischöfe fallen, wird die Übernahme des Regelwerks "dringend empfohlen". Jede Diözese soll auch einen Beauftragten für Missbrauchsfälle bekommen. Dieser wird Berater aus den Bereichen Justiz, Psychiatrie und Psychotherapie erhalten.

Ungeklärt ist weiterhin die Frage einer Entschädigung von Missbrauchsopfern. Diesbezüglich will die Kirche im Rahmen des "Runden Tisches" Gespräche mit der Missbrauchsbeauftragten der Regierung, Christine Bergmann (SPD), führen. (Birgit Baumann, DER STANDARD Printausgabe, 1.9.2010)