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Tony Blairs Buch "A Journey" ist eine schonungslose Kritik an seinem Dauer-Rivalen und Nachfolger Gordon Brown.

Foto: AP/Kirsty Wigglesworth

Die Türen wurden den Geschäften nicht gerade eingerannt, als am Mittwoch der Verkauf der Autobiografie von Tony Blair begann. Bei Waterstone's, Londons größtem Buchladen, fanden sich am Mittwoch um acht Uhr früh mehr Journalisten als Käufer ein, später wurden dann doch halbwegs ordentliche Verkaufszahlen gemeldet. Doch ein weiterer Triumph für Tony Blair über seinen langjährigen Rivalen und Nachfolger Gordon Brown: Für dessen gesammelten Reden hatten sich, als sie im April erschienen, gerade einmal 32 Interessenten gefunden.

Tony Blairs Buch A Journey - deutsch: "Eine Reise" - beschreibt den Weg des ehemaligen britischen Premiers vom Anfang seiner Amtszeit im Mai 1997 bis zu seinem Abtreten zehn Jahre später. Das 700 Seiten starke Buch ist vor allem eine Abrechnung mit seinem Weggefährten Brown. Über den ehemaligen Schatzkanzler wird vernichtend geurteilt. Als "seltsamen Typen" bezeichnet ihn Blair. Brown habe "null emotionale Intelligenz" besessen, der Umgang mit ihm sei "schwierig" bis "unerträglich" gewesen.

"Kein politisches Gefühl"

Ständig habe der Schotte, um Blair aus seinen Job zu drängen, "unablässigen persönlichen Druck" ausgeübt, der bis hin zur Erpressung reichte. Entlassen habe er ihn nicht können, denn zum einen sei Brown als Schatzkanzler brillant gewesen, zum anderen hätte ein Rausschmiss zu einer Regierungskrise geführt. Allerdings wäre Blair stets klar gewesen, dass sein schottischer Rivale zwar über reiches politisches Kalkül und analytische Intelligenz, aber über keinerlei "politisches Bauchgefühl" verfüge. Schließlich macht Blair seinen Nachfolger für den Wahlverlust in diesem Mai verantwortlich. "Die Niederlage wird beim nächsten Mal noch größer", warnt Blair vor einem weiteren Linksruck.

So vernichtend schonungslos und korrekt Blair in seiner Analyse der Beziehung zu Brown auch ist, so sehr drückt er sich vor einer Aufarbeitung des zweiten großen Komplexes, der seine Amtszeit dominiert hat: dem Verhältnis zu den USA, insbesondere George Bush, und dem Krieg im Irak. Da wiederholt er nur seine bekannte Position: Bush sei ein "wahrer Idealist" von hoher Intelligenz und Integrität; die Entscheidung, an der Seite der USA in den Krieg zu ziehen, richtig gewesen.

"Ich glaube immer noch, dass es ein größeres Risiko für unsere Sicherheit gewesen wäre, Saddam an der Macht zu lassen, als ihn zu stürzen." Allerdings habe er den "Albtraum" der Nachkriegsphase nicht vorhergesehen und "viele Tränen um die Toten vergossen". Er hoffe, davon etwas "durch die Taten meines Lebens wiedergutzumachen", wenn er sich in Zukunft für Frieden in der Region einsetzen will. Ein erster Schritt soll wohl sein, alle Erlöse aus dem Buch der Veteranenorganisation Royal British Legion zu spenden. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.9.2010)