Mit einem tödlichen Schussattentat auf ein Auto israelischer Siedler bei Hebron im Westjordanland hat sich zum Auftakt der neuen Nahostgespräche die Hamas zu Wort gemeldet: Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und alle anderen Beteiligten wurden brutal an das Störpotenzial der radikalen Palästinenser erinnert. Zwar folgten israelische Versicherungen, dass die Verhandlungen nicht gefährdet seien - aber niemand mag daran denken, was passiert, wenn ein Anschlag nicht im besetzten Gebiet, sondern in Israel erfolgt.

Der Akt war auch eine Erinnerung daran, welcher Wurm auf der Palästinenserseite im Prozess steckt. Abbas hat nicht das Mandat aller Palästinenser. Denn die den Gazastreifen alleinregierende Hamas lehnt diese und alle anderen Gespräche mit Israel ab. Genau genommen hapert es ja überhaupt stark mit der demokratischen Legitimierung von Abbas und seiner Fatah: Sowohl palästinensische Parlaments- als auch Präsidentschaftswahlen sind längst überfällig. Und der Wahlsieger 2006 hieß Hamas.

Aber die Beteiligten hoffen wohl darauf, dass das Offert einer fairen Lösung von einer Mehrheit mitgetragen würde. Was "fair" bedeutet, da gibt es, auch wenn man die Refusniks abzieht, auf palästinensischer Seite eine genauso große Vielfalt von Meinungen wie auf israelischer. Und die palästinensische Führung ist weit davon entfernt, den Palästinensern Tatsachen, die bereits klar sind, zuzumuten: etwa, dass die Grüne Linie aus dem Jahr 1967 als zukünftige Grenze eine Illusion ist (wofür die Palästinenser jedoch territorial entschädigt werden können), vor allem aber, dass es kein Rückkehrrecht und schon gar keine Rückkehr für palästinensische Flüchtlinge geben wird.

Beobachter gehen davon aus, dass Netanjahu erstaunliche Konzessionen machen könnte, wenn die Palästinenser bereit sind, die jüdische Identität Israels ein für allemal anzuerkennen. Was für westliche Ohren selbstverständlich klingt, ist für Palästinenser hart: Es kommt einem Zugeständnis gleich, dass nicht nur die Staatsgründung Israels rechtens war - was nach internationalem Recht unbestreitbar ist -, sondern auch die eigene Vertreibung.

Dagegen nimmt sich der Stolperstein Siedlungsstopp fast klein aus: Auf diesen Baum, so hat es ein israelischer Kommentator despektierlich ausgedrückt, hat US-Präsident Barack Obama durch seine Ansage in seiner Rede in Kairo die Palästinenser selbst hinaufgetrieben - und dann oben sitzen lassen. Dabei ist nicht entscheidend, ob in schon vorhandenen großen Siedlungen gebaut wird oder nicht. Jeder weiß, dass sie bei Israel bleiben, wie auch die jüdischen Teile Ostjerusalems.

Verhaftungswelle

Als Reaktion auf die Attentate nahm die Palästinenserpolizei am Mittwoch "die größte Verhaftungswelle aller Zeiten im Westjordanland" vor, mehr als 300 Personen wurden festgenommen. Ganz allgemein wird den palästinensischen Sicherheitskräften ein viel besseres Zeugnis ausgestellt als früher, auch von Israel, das etwa 10.000 Soldaten im Westjordanland hat.

EU und USA haben in den letzten Jahren im Westjordanland eng zusammengearbeitet und gemeinsam mit den Technokraten von Premier Salam Fayyad eine Stabilisierung und einen wirtschaftlichen, aber auch atmosphärischen Aufschwung erreicht - und Strukturen entwickelt, die einem Staat im Werden gut anstehen. Und Fayyad macht kein Geheimnis daraus, dass dieser Staat unilateral ausgerufen werden soll, wenn die Verhandlungen scheitern. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 2.9.2010)