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Grafik: APA

Wien - "Das derzeitige Schulsystem grenzt aus" und es "verletzt die Menschenrechte". Mit scharfen Worten verurteilte der Präsident der Lebenshilfe Österreich, Germain Weber, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Wien die Situation von Schülern mit sonderpädagogischen Förderbedarf. Nach wie vor würde jeder zweite behinderte Schüler in der Sonderschule unterrichtet. "Seit zehn Jahren stagniert die Integration", sagte der Generalsekretär der Lebenshilfe, Bernhard Schmid, und forderte einen Stufenplan zur Einführung einer "inklusiven Schule" für alle Kinder mit und ohne Behinderungen.

2008 hat Österreich die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung ratifiziert und sich damit verpflichtet, Kinder "nicht aufgrund von Behinderung" vom gemeinsamen Schulbesuch auszuschließen. Dennoch würden von den rund 28.000 Schülern mit sonderpädagogischen Förderbedarf nur rund die Hälfte in Integrationsklassen unterrichtet, jeder zweite besuche eine Sonderschule. Die Steiermark (82,4 Prozent der behinderten Kinder integriert) und das Burgenland (74 Prozent) weisen die höchste Integrationsquote auf, Schlusslicht ist Niederösterreich, wo nur 32 Prozent der Behinderten integriert werden.

Mangelnder gemeinsamer Unterricht in Integrationsklassen

Aber auch in bestehenden Integrationsklassen würden Eltern oft über mangelhafte Umsetzung des gemeinsamen Unterrichts klagen. Grund dafür sei ein Mangel an Personal- und Sachressourcen, so Schmid. Weiters kritisiert die Lebenshilfe, dass Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf nach der 8. Schulstufe das Recht auf Integration verwehrt werde. Noch vor Ende der Schulpflicht würden sie "wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen", betonte Weber.

Um den Verpflichtungen aus der UN-Konvention nachzukommen, fordert die Lebenshilfe einen Stufenplan zur Einführung einer "inklusiven Schule" bis 2016. Dazu sollten ab 2011 Sonderpädagogische Zentren in Schulen für alle Kinder umgewandelt und Schulassistenten ausgebildet werden, die die Lehrkräfte unterstützen. Ab 2012 sollten die derzeit getrennten Ausbildungszweige für Sonder- und Regelschulpädagogen zusammengelegt und die ersten Sonderschulen für alle Schüler geöffnet werden. Von 2013 bis 2015 sollten dann alle Sonderschulen sukzessive in "neue Schulen für alle" umgewandelt werden, die Binnendifferenzierung, also der Unterricht in einem Gegenstand im gemeinsamen Klassenverbund, aber nach unterschiedlichen Lehrplänen, soll Standard werden.

"Inklusive Schule" für alle bis 2016

Nach Vorstellung der Lebenshilfe sollten ab 2016 alle Kinder mit und ohne Behinderung bis zum 18. Lebensjahr in eine "Inklusive Schule" gehen. In der Folge sollten immer mehr Menschen mit Behinderung auch Zugang zu Hochschul- und Berufsbildung haben.

Für Weber ist "die Zeit der Umsetzung" einer inklusiven Schule gekommen. Wenn Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) sage, dass alle Studien zur Schulreform am Tisch lägen, gelte das auch für diesen Bereich, gefordert sei politischer Wille. Allerdings suche die Lebenshilfe seit 1,5 Jahren vergeblich um einen Termin bei der Ministerin an. Für Weber gibt es "kein stichhaltiges Argument", die Forderungen nicht umzusetzen, der Stufenplan würde kein zusätzlichen Mittel erfordern. (APA)