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Transgender-Problematik als Filmstoff: In "Transamerica" spielt Felicity Huffman die Rolle eines Mannes, der sich als Frau fühlt und auch so leben will.

Foto: Reuters/Rafael Winer/Belladonna Productions

Bernhard will Renée werden, Walter will als Andrea weiterexis- tieren, und Gerlinde fühlt sich überhaupt nicht weiblich und wünscht sich ein Leben als Christian. Menschen mit geschlechtlichen Identitätsstörungen leiden lange, bevor sie offen derartige Pläne äußern. Ihr Wunsch, eine andere geschlechtliche Identität als ihre angeborene zu leben, halten fast alle sehr lange Zeit geheim. Entscheiden sich lieber dafür, ihre Neigungen zu verstecken, aus Angst davor, für dieses Anderssein geächtet zu werden.

"Allein das Wort ,transsexuell' ist irreführend, denn diese psychische Störung hat nichts mit Sexualität im herkömmlichen Sinne zu tun. Transidentität ist der wesentlich treffendere Begriff", erklärt Psychotherapeutin Elisabeth Vlasich, die bereits mehr als 280 transidente Menschen begleitet hat, also Männer, die Frauen, und Frauen, die Männer wurden. Das große Problem: Kein Hormonstatus und kein Computertomograf kann die als Disorder of Sex Development (DSD) oder auch als Gender Dysphoria (GD) bezeichnete Störung nachweisen. Experten schätzen, dass einer von 1000 Menschen davon betroffen sein könnte, eine Statistik dafür gibt es aber selbstverständlich nicht. Vielmehr vermutet man, dass viele Betroffene ihre Neigung versteckt leben, sich womöglich nie outen, auch viele Fälle von Selbstmord könnten auf eine Transgender-Problematik zurückzuführen sein. "Ganz wichtig ist, dass diejenigen, die sich trans-ident fühlen, so früh wie möglich Experten kontaktieren und sich Hilfe holen", sagt Vlasich. Aus psychotherapeutischer Sicht gibt es eine Reihe von Indikatoren, um DSD eindeutig festzustellen, "vor allem bei Jugendlichen kann es sich ja immer auch um eine vorübergehende Phase handeln", betont sie. Deshalb sei psychotherapeutische Behandlung zur eindeutigen Klärung der psychischen Befindlichkeit und den damit verbundenen weiteren Schritten entscheidend für eine Verbesserung der Lebenssituation.

Handlungen setzen

Der österreichische Gesetzgeber erlaubt grundsätzlich jedem das Ausleben seiner geschlechtlichen Identität und demnach auch den Schritt, den Vlasich als Geschlechtsangleichung bezeichnet. Das allgemein gebräuchliche Wort Geschlechtsumwandlung empfindet sie stellvertretend für viele Betroffene als irreführend. Diejenigen, die sich für eine Geschlechts-angleichung entschließen, haben einen gesetzlichen Anspruch auf Behandlung. Sie besteht zum einen aus Hormontherapien, die den Körper in die eine oder andere Richtung beeinflussen. Der ultimative Schritt ist dann eine chirurgische Angleichung, die aber ohne psychiatrische Befundung und mindestens 50 Stunden Psychotherapie gar nicht möglich ist. Zudem müssen Transgender-Patienten zumindest ein Jahr auch tatsächlich in der Rolle ihrer als wahrhaftig empfundenen Identität gelebt haben. "Die Operation ist nicht für alle ein Ziel, viele haben Angst vor den Folgen dieses radikalen und irreversiblen Eingriffes", berichtet Vlasich.

Rein technisch betrachtet ist die Operation, die aus einem Mann eine Frau macht, heute Routine, sagt Kurt Angel, Österreichs einziger Urologe, der sie an der Wiener Rudolfstiftung durchführt. Er betont: "Entscheidender für den Operationserfolg und damit die Zufriedenheit der Patienten ist weniger die chirurgische Technik als die gute psychologische Vorbereitung. Patientinnen, die meinen, eine Operation würde irgendeines ihrer Probleme lösen, müssen wissen, dass das dem nicht so ist", sagt er aus Erfahrung. Er hat bereits 160 Angleichungen durchgeführt. Zunächst werden die Schwellkörper und die Hoden komplett entfernt, die Eichel bleibt erhalten, aus ihr wird später eine Klitoris geformt. Nun wird eine Scheidenhöhle zwischen Mastdarm und Harnröhre sowie der Prostata geformt. Diese wird mit der umgestülpten Penisschafthaut ausgekleidet. Die gekürzte Harnröhre und die Neoklitoris werden an typischer Stelle eingenäht, wobei alle Nerven in dieser erogenen Zone erhalten bleiben, was eines Tages auch einen Orgasmus möglich macht.

Wesentlich aufwändiger und in mehreren OPs durchzuführen ist die Geschlechtsangleichung von Frau zu Mann, die in Österreich sehr selten und wenn in Graz vorgenommen wird. Viele fahren auch zu Spezialist Bernhard Liedl vom Beckenbodenzentrum München Bogenhausen, der bereits 200 Angleichungen von Frau zu Mann gemacht und damit große Erfahrung hat.

Penoid-Aufbau

"Der Aufbau eines Penoids ist chirurgisch die große Herausforderung", sagt er. Die Geschlechts-angleichung erfolgt in mehreren Schritten. Gebärmutter-, Eierstock- und Brustenfernung werden vom Gynäkologen durchgeführt, als Urologe macht Liedl aus den großen Schamlippen den Hodensack und baut die Klitoris in einen aus dem Unterarm entnommenen Lappen, der zu einem Penis geformt wird, ein. Die Harnröhre wird aus den kleinen Schamlippen verlängert und in das Penoid eingeschlagen. Eine der häufigsten Komplikationen, die einen erneuten Eingriff notwendig machen, seien Fisteln, sagt Liedl, aber für die meisten seiner Patienten wäre die Operation immer eine Minderung ihres Leiden gewesen. Im besten Fall können diese Männer dann dank Schwellkörperprothese sogar ihre Sexualität leben.

Dass gut vorbereitete Transgender-Patienten nach der OP in den meisten Fällen zufrieden sind, bestätigt auch Psychotherapeutin Vlasich. Nicht alle wagen die Operation, für viele ist eine Hormontherapie ausreichend, "allerdings empfehle ich immer eine ärztliche Begleitung, die viele nicht in Anspruch nehmen, weil sie Hormonpräparate im Internet kaufen und nach Gutdünken einnehmen".

Was transidente Menschen wieder in ihre Praxis treibt? Soziale Konflikte. Dass transidente Menschen labil wären, stimme nicht, sie sind genauso labil oder stabil wie alle anderen", betont sie. Ein verständnisvolles Umfeld sei für ein zufriedenes Leben entscheidender als alles andere, auch das gilt aber für alle Menschen. (Karin Pollack, DER STANDARD Printausgabe, 06.09.2010)