Chisinau  - Aufgrund einer zu niedrigen Wahlbeteiligung ist eine Volksabstimmung in der Republik Moldau (Moldawien) über die Direktwahl des Präsidenten gescheitert. Insgesamt hätten sich weniger als 30 Prozent der 2,66 Millionen Wahlberechtigten beteiligt, sagte Iurie Ciocan, Sprecher der Wahlkommission am Montag nach der Auszählung aller Stimmen. Damit die Abstimmung gültig ist, hätten sich aber 33,3 Prozent der Wähler beteiligen müssen. Mit dem Scheitern des Referendums ist nun möglicherweise der Weg für vorgezogene Neuwahlen gelegt.

Regierungschef Vlad Filat zeigte sich enttäuscht und plädierte für vorgezogene Parlamentswahlen am 14. November. Interimspräsident Mihai Ghimpu kündigte an, das Parlament aufzulösen. Er nannte keine Details, wann dies geschehen werde. Sollten in diesem Jahr noch Wahlen abgehalten werden, wären es bereits die dritten seit April 2009.

Das Ergebnis der Volksabstimmung ist ein Schlag für die regierende pro-europäische Allianz im Parlament. Sie hatte das Referendum initiiert, um eine innenpolitische Krise zu beenden: Die Abgeordneten scheiterten bereits zweimal beim Versuch, ein neues Staatsoberhaupt zu wählen. Die notwendige Mehrheit von drei Fünftel der Stimmen kam nicht zustande.

Die Kommunistische Partei des Landes, die von 2001 bis 2009 die Regierung bildete, hatte zum Boykott der Volksabstimmung aufgerufen. Sie will das bisherige Wahlsystem beibehalten. Laut Umfragen war eine Mehrheit der Bürger für den Vorschlag der pro-europäischen Allianz.

Bisher braucht ein Präsidentschaftskandidat die Stimmen von 61 der 101 Parlamentarier. Die pro-europäische Allianz stellt 53 Abgeordnete, die Kommunistische Partei den Rest.

Interimspräsident Ghimpu machte Streitereien unter den Politikern für das Abstimmungsergebnis verantwortlich. "Das ist wieder ein Beweis dafür, dass wir nicht wissen, wie man Politik macht." Die Republik Moldau ist einer der ärmsten europäischen Staaten. Etwa 600.000 der 4,1 Millionen Moldauer arbeiten im Ausland.

"Ein Ende der innenpolitischen Krise in dem hoch verschuldeten Land ist nicht in Sicht", sagte der Geschäftsführer des Deutsch-Moldauischen Forums, Martin Sieg, der Nachrichtenagentur dpa. Sieg hielt es für möglich, dass die regierende Allianz für Europäische Integration nun doch auf Vorschlag der Kommunisten einer Verfassungsänderung zustimmen könnte, nach der das Parlament künftig den Präsidenten mit einfacher Mehrheit wählen kann.

Nach dieser Verfassungsänderung müsste das Parlament aufgelöst werden, damit die Abgeordneten neu gewählt werden können und die Grundgesetz-Novelle angewandt werden kann. Die Passivität der Wähler am Sonntag sei auch auf die Vielzahl der Probleme im Land zurückzuführen, sagte Regierungschef Filat. Fast 90 Prozent der "wenigen" Wähler hätten sich aber für eine direkte Präsidentenwahl ausgesprochen.

Aus Sicht von Beobachtern schafften es die vor allem in den ländlichen Regionen einflussreichen Kommunisten, Wähler von dem Urnengang abzuhalten. Viele Anhänger der Kommunisten befürchten, dass der Parlamentspräsident und kommissarische Staatschef Ghimpu eine Wiedervereinigung mit Rumänien anstrebt. Ghimpu warf den Kommunisten "schmutzige Methoden" vor.

Die Regierung bestehe aus "Pseudo-Politikern" und sei bankrott, sagte Kommunistenchef und Ex-Präsident Vladimir Voronin, der nach zwei Amtszeiten hatte abtreten müssen. Nach seinem Ausscheiden aus dem Amt hatte sich zudem das Verhältnis zwischen Chisinau und Moskau deutlich verschlechtert. Erschwert wird die Lage in Moldau durch Machtkämpfe innerhalb des Regierungslagers sowie durch den eingefrorenen Territorialstreit um die abtrünnige Region Transnistrien. Die Direktwahl des Präsidenten in Moldau, das zu den ärmsten Ländern Europas gehört, war 1990 abgeschafft worden. (APA/dapd)