In der Donnerstag-Ausgabe dieser Zeitung bekamen zwei ihrer Mitarbeiter mit einigem Nachdruck Kommentare der anderen um die Ohren geschlagen, die die beiden Pole des hierzulande waltenden Demokratieverständnisses anschaulich darstellten. In dem einen wies ein grüner Landtagskandidat die Forderung, "den Fetisch Basisdemokratie endlich zu entrümpeln" mit einem Preislied auf dieselbe zurück, unter anderem mit dem Argument, auf die Nichtkorrumpierbarkeit der Grünen könne man sich schon deshalb verlassen, weil im Falle einer Annäherung an die "Futtertröge der Macht" sofort die Basis einschreiten würde.
Nun wäre die Entrümpelung eines Fetischs schon sprachlich ein unerhörter Vorgang. Noch bemerkenswerter aber das blinde Vertrauen in das moralische Empfinden einer Basis, das - soweit es die grüne betrifft - wegen relativer Futtertrogferne noch nicht ernsthaft auf die Probe gestellt wurde, und das, soweit es die Basis anderer Parteien betrifft, durch nichts gerechtfertigt erscheint. In Kärnten etwa hat die Basis jahrelang applaudiert, als sich ihre anständigen Führer in den Futtertrögen der Macht suhlten. Vielleicht wollte uns dieser Candide der Basisdemokratie also nur sagen, dass Grüne bessere Menschen sind.
Erweist sich das basisdemokratische Ideal in komplexen Gesellschaften auch als so wenig praktikabel, dass selbst die Grünen es zu hinterfragen ankündigen, ist das Eintreten für möglichst breites Mitreden immerhin ehrenhaft. Diese Auffassung wird nicht überall im Lande geteilt, ganz im Gegenteil - wie die andere Lesermeinung im gestrigen Blatt bewies. Sie hatte die Form eines Leserbriefes und stammte aus der akademischen Feder des Pressesprechers des nö. Landeshauptmanns. Als Antwort auf den Kommentar Der Erwin und seine Machthaberer vom Vortag enthielt er, ohne auf die Sache einzugehen, dafür im Stil einer kaum verhüllten Koprolalie die Information, der Herr Landeshauptmann gedenke sich mit Kritik nur den allerwertesten aller Niederösterreicher zu säubern, also besser: Goschen halten!
Ob der Landeshauptmann seinen Pressesprecher zu dieser Abwehr "persönlicher Hetzgelüste" und nach Niederösterreich geworfener "Pferdeäpfel" inspiriert hat oder dieser in vorauseilender Speichelleckerei von sich aus aktiv geworden ist - von welcher Seite man es auch betrachtet, von Liebe zur Basisdemokratie und ihren Äußerungsformen war das weit entfernt. Wir nehmen es aber als Gunst und Toleranzpatent des Landeshauptmanns, was er uns über seinen Pressesprecher allergnädigst zuteilwerden ließ: "Der ,Standard‘ möge weiter gedruckt werden."
Untertänigsten Dank! In Rüpeleien gegen die Unterrichtsministerin zeigt er Löwenmut - die hat ja keine Partei, die sie verteidigt. Jetzt muss sich das Stangl-Syndrom dazugeschlagen haben. Weil er sich doch so gewünscht hat, einmal ganz oben zu sein, bildet er es sich jetzt halt ganz fest ein und schickt seinen bezahlten Koprophilister aus, wenn jemand es wagt, seine Größe zu verkennen. Wenn schon nicht aus basisdemokratischen, dann aus pädagogischen Gründen: Diesem Mann sollte man weder Schüler noch Lehrer ausliefern. (Günter Traxler, DER STANDARD, Printausgabe, 10.9.2010)