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Publizist und Bergbauer: Markus Wilhelm hält die Tiwag für die wahre gestaltende Kraft im Lande - und er kämpft etwa für die Erhaltung des Sulzbachtals.

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Innsbruck - Jetzt soll es der ehemalige Landeshauptmannstellvertreter Ferdinand Eberle für die Tiroler Landesregierung "richten". Landeshauptmann Günther Platter will Eberle als "Kraftwerkskoordinator" einsetzen, quasi als Bindeglied zwischen dem Landes-Elektrizitätsversorger Tiwag, dessen Aufsichtsratsvorsitzender Eberle ist, und der Politik. Eberle könne mit den Menschen in den Gemeinden reden, lautet seine Qualifikation. Die operativen Vertreter der Tiwag können das - offenbar - nicht. Erst Anfang August hat es eine Absage zu Tiwag-Plänen gegeben: Die Gemeinde Neustift fasste auf Druck der Opposition einen Beschluss für eine kommunale Volksbefragung.

Das war das Aus für die Wasserableitung der Tiwag zum Ausbau des Kraftwerks Sellrain-Silz.

Im Vorfeld aktiv in der Aufklärung der Bevölkerung: Markus Wilhelm. Er wurde bundesweit bekannt, als seine Homepage vor drei Jahren den damaligen Landeshauptmann Herwig van Staa beschuldigte, den früheren deutschen Außenminister in einer Rede als "dieses Schwein" bezeichnet zu haben. Van Staa behauptete, Fischer bloß "dieses Schweigen" (zur Bedrohung der Alpen) vorgeworfen zu haben.

In der aktuellen Auseinandersetzung in Neustift sind auf Wilhelms Homepage "zufällige Ähnlichkeiten" von Texten des Neustifter Bürgermeisters und der VP-nahen Agentur Hofherr zu sehen. Der Neustifter Bürgermeister dürfte von der Tiwag im Gemeinderatswahlkampf unterstützt worden sein, vermutet Wilhelm. Allerdings vielleicht nicht ganz so dreist wie sein Kaunertaler Kollege, gegen den die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt.

Für den Söldener Publizisten und Bergbauern Wilhelm ist Eberles auch von FPÖ und Liste Fritz kritisierte neue Funktion ein Ding der Unmöglichkeit: "Es wird auch nach dem Aktiengesetz nicht gehen, dass ein Aufsichtsratschef für das Unternehmen arbeitet, das er beaufsichtigen soll."

Tatsächlich hat die Tiwag mit ihren Kraftwerksbauplänen in den letzten Jahren wenig Fortüne gehabt: Seit dem Scheitern des Großkraftwerksprojekts im Dorfertal (dieses ist inzwischen Teil des Nationalparks Hohe Tauern) sind zwar paketweise neue Projekte vorgelegt worden - diese sind aber entweder an Naturschutzauflagen, an Umweltschutzeinwänden oder an der lokalen Politik gescheitert. Und manchmal eben an Wilhelms Hartnäckigkeit.

Mit Vorwürfen ist Wilhelm rasch zur Hand - was ihm etwa seitens des Umweltdachverbands (UWD) einen Vergleich mit dem Grünen Peter Pilz eingebracht hat: "Ein Einzelkämpfer ohne Skrupel", urteilt UWD-Präsident Gerhard Heilingbrunner über Wilhelm: "Sehr engagiert, aber mit Vorsicht zu genießen, weil er auch gegen Mitstreiter vorgeht, wenn er das für sinnvoll erachtet." Dabei ist Wilhelm stets gut informiert: Auf seiner Homepage dietiwag.org dokumentiert er etwas, was er als politischen "Erpressungsversuch" von Landeshauptmann Günther Platter betrachtet.

Vorwürfe und Freisprüche

Dieser soll in einer E-Mail dringend die Aussetzung der Volksbefragung empfohlen haben, ansonsten werde es zu Nachteilen beim Schulhausneubau, bei den Skigebietserweiterungen und Kürzungen bei den Bedarfszuweisungen geben. Aus "historischen Gründen" stehe die Tiwag im Mittelpunkt seiner Recherchen, sagt der 54-jährige Wilhelm. Bereits im Jahr 1989 sei die Tiwag Thema einer Ausgabe des Föhn, Wilhelms eigener kulturpolitischer Zeitschrift, gewesen. Es folgten Klagen, die Wilhelm alle gewann.

Als die Tiwag 2004 ein "Riesenkraftwerk" im Ötztal, das Speicherkraftwerk im Sulzbachtal plante, erwachte Wilhelms Ergeiz: "Ihr bauts da kein Kraftwerk hin." Umweltorganisationen machten mobil und verhinderten den Bau des Speicherkraftwerks.

In Vent, ebenfalls im Ötztal, sprach der ehemalige Tiroler Landeshautpmann Herwig van Staa im September 2007 vor Mitgliedern des Deutschen Alpenvereins und relativ undeutlich: Wilhelm veröffentlichte einen Mitschnitt, in dem Van Staa den ehemaligen deutschen Außenminister Joschka Fischer als "Schwein" bezeichnet. Van Staa betonte immer, er habe "Schweigen" gesagt.

Wilhelm wurde vom Vorwurf der üblen Nachrede freigesprochen. Beim Prozess selbst wurde ein manipuliertes Band vorgespielt. Der Prozess wird im Oktober wiederaufgenommen. Grund dafür ist ein neues Gutachten, das massive Eingriffe an den Tondaten festgestellt hat.

Wilhelm sieht aber durchaus nicht alles negativ, etwa den Kriterienkatalog des Landes. Landeshauptmannstellvertreter Anton Steixner signalisiere mit der Aufforderung an alle, sich zu beteiligen, immerhin eine "ganzheitliche Betrachtung" der Energiesituation. Die Tiwag hat den Katalog bereits abgelehnt. Was nicht nur Einzelkämpfer Wilhelm, sondern auch die Umweltorganisationen erbost: "Tiwag-Generaldirektor Bruno Wallnöfer muss sich an der Ausarbeitung des Katalogs beteiligen - wenn sich der Chef des Energieversorgers eines anderen Bundeslands derartig verweigern würde, müsste er den Hut nehmen", sagt Heilingbrunner.

Bei all dem will Wilhelm nicht als fundamentaler Kraftwerksgegner verstanden werden: Er habe selbst bereits Kleinkraftwerke für das E-Werk in Sölden durch Grundtäusche ermöglicht. Aber: "Ich bin gegen die Tiwag. Und gegen ihre wahnwitzigen Ideen."(Verena Langegger, Conrad Seidl, DER STANDARD, Printausgabe, 14.9.2010)