Christine Marek: Sozialem Missbrauch mit Arbeitspflicht vorbeugen.

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Christine Marek fordert im Namen der gesamten ÖVP jetzt nach Einführung der Mindestsicherung eine "Arbeitspflicht" als "Keule gegen den sozialen Missbrauch". Konkret will die Staatssekretärin und Spitzenkandidatin der ÖVP Wien, dass Arbeitslose, die die Mindestsicherung beziehen, nach sechs Monaten Jobsuche verpflichtend gemeinnützige Arbeit verrichten. "Das ist natürlich schon eine starke Motivation für Arbeit Suchende, sich entsprechend zu bemühen", meint Marek im Ö1-Morgenjournal.

Unter gemeinnütziger Arbeit versteht Marek etwa Mithilfe bei Caritas und Hilfswerk, aber auch Rasenmähen und Straßenkehren. "Natürlich immer im Rahmen des Zumutbaren", so Marek, und mit Kürzungen der Mindestsicherung verbunden, wenn man sich weigert, die Arbeit zu machen. Marek schließt auch die völlige Streichung der Mindestsicherung nicht aus, darüber müsse man noch diskutieren. Als Vorbild dient das Projekt "Bürgerarbeit" in Deutschland, das Langzeitarbeitslose motivieren soll wieder erwerbstätig zu werden.

SPÖ sieht keinen Grund für Arbeitspflicht

Die SP-Staatsekretär Andreas Schieder wies den jüngsten Vorstoß von VP-Staatssekretärin Christine Marek in Sachen Mindestsicherung als "billigen Wahlkampfgag" zurück. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) wies auf die bereits bestehenden Sanktionen bei Arbeitsverweigerung vor dem Ministerrat am Dienstag hin. Die Mindestsicherung sei klar mit Arbeitsanreizen verknüpft.

Auch beim Arbeitslosengeld gebe es bei Arbeitsverweigerung Sanktionen. So habe es bei rund 800.000 AMS-Kunden rund 93.000 Kürzungen gegeben. Ziel der Mindestsicherung sei es, Menschen wieder zurück in normale Beschäftigungsverhältnisse zu bringen und nicht wie in Deutschland in Hartz IV zu verfestigen. Auf die Frage, ob der Marek-Vorschlag nach den bevorstehenden Wahlen vielleicht doch noch diskutiert wird, antwortete Hundstorfer: "Sicher nicht."

Verfassungsexperte: Keine Zwangsarbeit

Verfassungsexperte Heinz Mayer glaubt im Gespräch mit derStandard.at nicht, dass der Vorschlag von Marek verfassungswidrig oder menschenrechtswidrig sein könnte. Eine Form der Zwangsarbeit liegt seiner Meinung nach nicht vor. "Wenn ich Geld in Form der Mindestsicherung vom Staat bekomme, ist es nicht ungewöhnlich, dass dafür auch etwas eingefordert wird." Im konkreten Fall komme es vor allem auf eine humane Umsetzung an. "Die Leistungsfähigkeit der Menschen darf nicht überspannt werden, die Arbeit nicht zeitlich unbegrenzt verlangt werden. Es muss auf Alter und Ausbildung Rücksicht genommen werden", meint Heinz Mayer gegenüber derStandard.at. "Ein arbeitsloser Primar kann nicht dann als Putzkraft im Krankenhaus eingesetzt werden."

Scharfe Kritik an der ÖVP übte Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ): "Ich halte das für verwerflich." Er bekomme täglich Briefe von jungen Menschen, die um einen Job flehen. Die von der ÖVP vorgeschlagenen Zwang-Dienste seien ein "Ausfluss der neoliberalen Politik", so Darabos. 

Aufklärungs-Gespräch mit Hundstorfer

Die SPÖ hat ein Gespräch mit Christine Marek angesetzt. Hundstorfer soll dort der im Wahlkampf befindlichen Staatssekretärin das Modell der Mindestsicherung erklären. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) geht davon aus, dass es dem Sozialminister gelingen werde, "das aufzuklären".

Nach einem Termin für dieses Gespräch gefragt, meinte Faymann nach dem Ministerrat am Dienstag, man habe keinen Zeitplan vorgegeben: "Mein persönlicher Verdacht ist der 11. Oktober." - Also der Montag nach der Wien-Wahl.

Für Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) ist das Gespräch hingegen eine Verhandlung. Der Vorstoß Mareks passe gut ins Gefüge der Mindestsicherung und er sei dankbar, dass diese Frage zwischen Hundstorfer und Marek vertieft werde. Er sprach auch von einer Gesprächs- und Verhandlungsbereitschaft seitens der SPÖ. (red/derStandard.at, 14.9.2010)