"Aktiv zu sein ist besser als zu Hause auf ein Jobangebot zu warten."

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Was in Deutschland bereits beschlossene Sache ist, soll auch bald in Österreich eingeführt werden, wenn es nach der ÖVP geht: die Bürgerarbeit. Nach einem Vorstoß von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) werden in Deutschland ab Jänner 34.000 Langzeitarbeitslose gemeinnützige Bürgerarbeit leisten. Vorerst handelt es sich um ein dreijähriges Projekt, das mit 1,3 Milliarden Euro zur Hälfte vom Staat und zur anderen Hälfte vom Europäischen Sozialfonds finanziert wird. Von der Leyen begründet die Maßnahme folgendermaßen: "Aktiv zu sein ist besser als zu Hause auf ein Jobangebot zu warten."

Die Bürgerarbeiter könnten ältere und behinderte Menschen betreuen, Sportangebote für Jugendliche leiten oder Laub aufsammeln, hieß es seitens der Ministerin. Bei einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden soll der Verdienst bei 1.080 Euro liegen, bei einer Wochenarbeitszeit von 20 Stunden bei 720 Euro.

Sechsmonatige Aktivierungsphase

Gestartet ist das deutsche Bürgerarbeit-Projekt schon im Juli mit einer sechsmonatigen "Aktivierungsphase", in der Jobcenter versuchen, die Arbeitslosen zu vermitteln. 160.000 Betroffene wurden von den Jobcentern für die Aktivierungsphase auserwählt. Wenn die Vermittlung wegen konkreter Defizite oder einer fehlenden Qualifikation scheitert, beginnt die gezielte Förderung. Erst, wenn nach der Aktivierungsphase kein Arbeitsplatz für den Betroffenen gefunden wurde, erhalten ausgesuchte Teilnehmer einen der 34.000 Bürgerarbeitsplätze.

Etwas Gutes tun

In den vergangen Jahren hat es in einigen Bundesländern schon Modellversuche gegeben, etwa in Sachsen-Anhalt. Projektleiterin Sylvia Kühnel von der Bundesagentur für Arbeit in Deutschland bezeichnete die Bürgerarbeit im Interview mit dem Ö1-Morgenjournal als Erfolg: An den Modell-Standorten habe man die Arbeitslosigkeit im Schnitt um die Hälfte senken und für die Langzeitarbeitslosen etwas Gutes tun können.

Sanktionen bei Ablehnung

Ähnlich wie beim ÖVP-Vorschlag drohen bei Ablehnung der Bürgerarbeit auch in Deutschland Kürzungen. Laut deutschem Arbeitsministerium würden die gleichen Regeln gelten, wie für Hartz IV Bezieher, die andere Arbeitsangebote ablehnen.

Sanktionen werden verhängt, wenn eine konkrete Arbeit oder Eingliederungsmaßnahme abgelehnt wird oder verabredete Pflichten nicht eingehalten werden. Wenn also zum Beispiel die Betroffenen in der Aktivierungsphase nicht zu Vorstellungsgesprächen oder Weiterbildungen erscheinen oder in der Beschäftigungsphase eine zumutbare Bürgerarbeit ablehnen.

Linke kritisiert Zynismus

Genauso wie es Lob für die Maßnahme gibt, wird jedoch auch Kritik geübt. "Mit der Bürgerarbeit wird der Zwang zur Arbeit für Bezieher von Hartz IV eingeführt", sagte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken, Sabine Zimmermann. Die Feststellung von der Leyens, "aktiv zu sein, ist immer besser als zuhause auf ein Jobangebot zu warten", sei an Zynismus nicht zu überbieten. Bürgerarbeit bedeute, dass jeder Erwerbslose erpresst werden könne, gegen seinen Willen "in Vollzeit in jedweder Tätigkeit, unabhängig von der Qualifikation, für seine bloße Existenz zu schuften".

Die Linke warnte außerdem davor, dass durch die Bürgerarbeit bestehende Beschäftigungsverhältnisse verdrängt würden. Diese Frage sei "völlig ungeklärt". (rwh, derStandard.at, 14.9.2010)