Moskau - Vor fast 100 Jahren machte sich die russische Expeditionsgruppe von Georgi Brussilow von Sankt Petersburg aus in Richtung Wladiwostok auf den Weg, um erstmals die Nordostpassage zu durchqueren. Der Großteil der Besatzung des Zweimasters "Sankt Anna" kehrte nie wieder zurück; ihr Schicksal blieb ein Rätsel - zumindest bis jetzt. Nun haben nämlich russische Forscher nahe der Inselgruppe Franz-Josef-Land im Nordpolarmeer Fundstücke entdeckt, die sie für die Überreste jener verschollenen Expedition halten.

Zwei Jahren nach dem Aufbruch nahm die Reise der "Sankt Anna" in den Eismassen nördlich Sibiriens ein jähes Ende, das Schiff wurde von Gletschern eingeschlossen. Elf der 24 Besatzungsmitglieder versuchten daraufhin, zu Fuß das Festland zu erreichen. Zwei von ihnen, darunter der Navigator Walerian Albanow, schafften es bis nach Franz-Josef-Land. "Über die Anderen wissen wir nichts", sagte Oleg Prodan, Chef der Gruppe russischer Wissenschaftler, die sich im Sommer auf die Suche nach den Spuren der "Sankt Anna" begeben hatte.

Seiten aus dem Schiffstagebuch

Nach fünf Tagen stießen die vom russischen Grenzschutz unterstützten Forscher eigenen Berichten zufolge auf erste Fundstücke. Neben einem menschlichen Skelett seien eine Armbanduhr, ein Löffel, Schneeschuhe, ein Messer und eine aus Bruchstücken einer Rumflasche gebastelte Sonnenbrille gefunden worden. Zudem gewährten vier auf das Jahr 1913 datierte Seiten aus dem Schiffstagebuch Einblicke in das Leben an Bord.

Sowjetischer Erfolgsroman

Die Memoiren Albanows wurden 1917 veröffentlicht und inspirierten den sowjetischen Schriftsteller Weniamin Kawerin zu seinem späteren Erfolgsroman "Zwei Kapitäne", der 1946 den Stalin-Preis gewann und zur Kultlektüre in der damaligen Sowjetunion avancierte. (red/APA)