In einer etwas paradoxen Situation befindet sich Microsoft, wenn es um den Browser-Markt geht: Zwar hat man - weltweit gesehen - weiterhin den meist genutzten Browser im Angebot, in technologischer Hinsicht kann die eigene Software allerdings kaum mithalten - all den Bemühungen der letzten Jahre zum Trotz. In Benchmarks liegt der Internet Explorer regelmäßig weit abgeschlagen an letzter Stelle, auch bei der Unterstützung moderner Webstandards oder der Feature-Vielfalt kann man kaum mit anderen aktuellen Browser konkurrieren.

Alles wird besser

All das soll nun endgültig ein Ende haben: Mit dem Internet Explorer 9 will Microsoft schon bald einen Browser abliefern, der alles besser macht - flotter, schlanker und auch aus einem technologischen Blickwinkel moderner soll die kommende Release werden. Ein Upgrade mit dem man nicht nur zur Konkurrenz aufschließen, sondern diese auch in vielerlei Hinsicht überflügeln will. Ob man dieses Versprechen halten kann, und was der IE9 so alles an Neuem bieten kann, soll auf den folgenden Seiten etwas näher beleuchtet werden.

Beta

Nach einer Reihe von "Technology Previews" bietet der Hersteller nun seit kurzem eine erste Beta des Internet Explorer 9 an, und erlaubt so erstmals auch einen relativ vollständigen Blick auf die kommende Browser-Generation - inklusive der bei den Previews fehlenden Umbauten am Interface. Die Beta kann kostenlos von der Seite des Herstellers heruntergeladen werden, sie ist in 32- und 64-Bit-Versionen für Windows Vista und Windows 7 erhältlich.

Kein XP

Was allerdings auch heißt: Windows XP wird nicht mehr unterstützt. Eine Tatsache, die prinzipiell durchaus nachvollziehbare Gründe hat, immerhin setzt man beim IE9 massiv auf die Hardwarebeschleunigungs-APIs von Vista und Windows 7. Trotzdem ist dies eine äußerst zweischneidige Entscheidung, immerhin ist es eine Realität, dass diese Windows-Version noch immer von einem erklecklichen Teil der Internet-Community genutzt wird - der dann im schlimmsten Fall auf älteren IE-Versionen hängen bleibt, was wiederum zu Folge hat, dass WebentwicklerInnen diese länger als sonst nötig unterstützen müssen. Für Microsoft macht es umgekehrt aber natürlich natürlich Sinn, die NutzerInnen auch auf diesem Weg zunehmend auf neuere Windows-Versionen zu locken.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Nach der Installation des mit 36,7 MByte vergleichsweise umfangreichen Pakets und dem darauf folgenden Einspielen unspezifizierter Updates, muss zunächst mal ein Reboot des Systems vorgenommen werden - immerhin ersetzt die Beta den im System verankerten IE8. Wer danach den Internet Explorer 9 zum ersten Mal öffnet, könnte schnell meinen sich in der Eile verklickt zu haben - so massiv sind die Umbauten am Interface des Browsers.

Schmal

Dabei folgt man zunächst mal dem aktuellen Trend bei praktisch allen relevanten Browsern und der nennt sich: Reduktion. Der IE9 präsentiert sich mit einem wesentlich schlankeren User Interface als sein Vorgänger, ein Schritt mit dem man den eigentlichen Web-Content stärker in den Vordergrund stellen will, wie der für die Browserentwicklung bei Microsoft zuständige Dean Hachamovitch die Herangehensweise umreißt. Eigene Studien hätten für ältere Releases ernüchternde Erkenntnisse gebracht, ein Großteil der bislang immer sichtbaren Features werde schlicht nie genutzt. So verwenden lediglich 25 Prozent aller UserInnen überhaupt jemals den Startseiten-Knopf, Bookmarks setzen gar nur 10 Prozent ein.

Aufbau

Die praktische Konsequenz aus diesen Erkenntnissen sieht dann zunächst mal so aus: Die Navigation besteht gerade mal noch aus einem Vor- und einem Zurückknopf, wobei der zweite - wie bei aktuellen Firefox-Betas - deutlich größer gehalten ist. Die Reload- und Stopp-Knöpfe sind rechts neben die Adresszeile gewandert, nicht ganz klar ist dabei jedoch warum man diese nicht gleich kombiniert - wie es die meisten anderen Browser aktuell vormachen. Immerhin ist eine gleichzeitige Nutzung eher unwahrscheinlich. Umgekehrt könnte man den dadurch gewonnen Platz gut brauchen, dies aufgrund einer anderen zentralen Design-Entscheidung für den Internet Explorer 9.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Die Tabs werden nun nämlich nicht mehr länger in einer eigenen Zeile präsentiert, sondern landen rechts neben der Adresszeile. Eine Anordnung, die wohl nicht überall auf uneingeschränkte Begeisterung stoßen wird, bringt sie doch manch Problem mit sich. Werden mehrere Seiten gleichzeitig geöffnet, wird es bei durchschnittlichen Bildschirmauflösungen recht schnell mal eng für die Tabs, die Übersichtlichkeit geht in Windeseile flöten. Auch die Adresszeile profitiert von dieser Kombination nicht unbedingt, oft ist hier nicht einmal mehr die vollständige Domain einer Seite zu lesen, geschweige denn der ganze aktuelle Pfad.

Maximaler Platz

So wirkt es denn so, als hätte Microsoft auf Biegen und Brechen versucht einen Browser zu entwickeln, dessen Interface weniger Platz verbraucht als das der Konkurrenz - und zumindest dies ist auch tatsächlich gelungen, wie ein Vergleich zeigt: Bei einer Bildschirmhöhe von 1080 Pixel bleiben - alle Zahlen mit "maximiertem" Fenster - beim IE9 980 Pixel für die Web-Inhalte übrig. Bei Google Chrome - der die Tabs in diesem Modus in die Titelzeile verlagert - ist es exakt ein Pixel weniger, Opera bringt es auf 956, die Firefox 4 Beta auf 933 Pixel (wobei hier noch bis zur fertigen Release die Statuszeile entfernt werden soll, ohne die sind es dann 955 Pixel).

Aufbau, weiter

Wenig überraschend gibt es beim IE9 denn auch konsequenterweise keine Statuszeile mehr, die restlichen Oberflächen-Elemente halten sich ebenfalls in - engen - Grenzen. So befindet sich auf der rechten Seite neben den Tabs zunächst einmal jener Knopf, mit dem sich flott auf die eingestellte Startseite zurückkehren lässt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Daneben ein Stern, mit dem der Zugriff auf die eigenen Favoriten und die History des Browsers ermöglicht wird. Das zugehörige Interface wird dabei recht schmal über das Browser-Fenster eingeblendet, eventuell sollte man sich überlegen, die zugehörigen Aufgaben lieber gleich einfach in einem eigenen Browser-Tab zu öffnen. Bleibt noch rechts außen der Knopf für die Einstellungen, hier hat man all das zusammengeführt, was früher auf unterschiedlichste Buttons verteilt war - und das, muss man schon sagen, durchaus übersichtlich und gelungen.

Tabs

Unübersehbar von der Konkurrenz "inspiriert" gibt man sich bei einem weiteren Neuzugang im Internet Explorer 9: Beim Öffnen eines frischen Tabs werden diverse hilfreiche Informationen und Funktionen zur Verfügung gestellt, die konkrete Implementation ist dabei ihn ihrem grafischen Aufbau beinahe exakt dem entsprechenden Feature bei Google Chrome nachempfunden. So werden die meist benutzten Seiten prominent platziert, darunter dann die Möglichkeit zuletzt geschlossene Tabs wieder herzustellen, auch die gesamte letzte Sitzung kann erneut aufgerufen werden. Wer will, kann einzelnen Seiten aus der automatisch erstellten Liste ausnehmen oder sie umgekehrt gleich ins Windows-Startmenü hinzufügen.

Umsetzung

Trotzdem: Optisch wirkt das alles noch etwas roh, statt mit Miniaturgrafiken werden die Seiten nur mit Text repräsentiert, was den Wiedererkennungswert nicht unbedingt steigert. Dafür gibt es einen Balken, der verraten soll, wie aktiv man auf einer entsprechenden Seite zuletzt gerade war. Und schließlich sollte auch nicht vergessen werden, dass es sich hierbei noch um eine Beta handelt, Microsoft also bis zur finalen Version noch Zeit zum Nachbessern hat.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ein weiterer Trend, dem sich der IE9 nicht verschließen kann: Die Kombination von Adresszeile und Suchfenster, beides kann nun in der von von Microsoft so benannten "One Box" vorgenommen werden. Suchvorschläge werden dabei von Haus aber keine angezeigt, wer das will muss das entsprechende Feature erst manuell aktivieren, was aber im Pop-Down darunter recht einfach zu erledigen ist.

Suggest

Microsoft betont, dass man mit dieser Entscheidung die Privatsphäre der eigenen NutzerInnen schützen will, so dass niemand - ohne bewusste Entscheidung dafür - die eigenen Tastatureingaben an dieser Stelle an einen fremden Server weiterschickt. Aktiviert man die "Suggestions" gibt es dann aber nicht nur gleich die Top-Suchantworten direkt im Browser-Interface, auch so manche Information - wie etwa das Wetter - wird gleich eingebettet. Default-Suchmaschine ist natürlich Microsofts eigenes Bing, eine Einstellung, die sich aber auch nach Belieben auf andere Services umleiten lässt.

Probleme

Unerfreulicherweise leidet aber auch dieses Feature unter der Kombination von Adress- und Tabzeile: Im beengten Rahmen bleibt nur recht wenig Platz für die Suchvorschläge, so dass diese oftmals nur schwer zu identifizieren sind. Ein Problem, das allerdings recht leicht zu lösen wäre, immerhin muss die Dropdown-Box ja nicht zwingendermaßen auf die Breite der Adresszeile beschränkt sein. Positiv sei hingegen noch die Tastatursteuerung angemerkt, die ein leichtes Navigieren ermöglicht.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ein echtes Highlight hat der Internet Explorer 9 dafür an anderer Stelle zu bieten, und zwar bei der Integration mit Windows 7: Hier lassen sich Webseiten fix im Panel ablagern, oder wie es Microsoft nennt "anpinnen". Dies Funktion ist recht intuitiv umgesetzt, es reicht einen Tab an die gewünschte Position am unteren Bildschirmrand zu ziehen.

Zugriff

So lässt sich das Ganze als eine Art Bookmark für die wichtigsten Seiten benutzen, zur grafischen Repräsentation wird das zugehörige Favicon benutzt. Doch damit ist es noch nicht getan: Solcherart abgelagerte Wepages werden in einem eigenen Fenster geöffnet, ein netter Touch ist, dass dabei die Navigationselement automatisch den Farben des Favicons angepasst werden. Im Grunde erinnert dies entfernt an Mozillas Prism, das vor allem für Web-Anwendungen gedacht ist, beim IE bleiben allerdings die gesamten Steuerelemente erhalten.

Jump Lists

Wesentlich spannender aber: Mit diesem "Anpinnen" geht die Möglichkeit einher, dass sich Webseiten direkt mit Windows 7 integrieren. So können sie "Jumplist"-Einträge definieren, mit denen zentrale Funktionen einer Page schnell erreicht werden können. Ein paar Seiten bieten dieses Zusammenspiel schon jetzt an, so lassen sich dann etwa Direct Messages auf Twitter direkt über einen Jumplist-Eintrag erreichen. Weitere Beispiele nennt Microsoft auf seiner parallel zur IE9 gestarteten - und äußerst nett gestalteten - Webseite beautyoftheweb.com.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Wie bei den meisten anderen Mitbewerbern auch, werden zentrale Benachrichtigungen beim Internet Explorer jetzt über die Webseite eingeblendet, im konkreten Fall am unteren Rand des Browsers. Bei einigen Vorgängen - etwa wie im Bild beim Download einer Datei - kann denn auch gleich an dieser Stelle Einfluss genommen werden.

Vermischtes

Apropos Herunterladen: Es gibt im Internet Explorer 9 einen neuen Download Manager, der das Geschehen übersichtlich aufarbeitet, etwa die verbleibende Zeit oder die Information darüber, woher eine Datei stammt, und wo sie schlussendlich auf der Platte landet, präsentiert. Über einen eigenen Add-On-Manager will man zudem die Erweiterungsmöglichkeiten des Microsoft-Browsers stärker in den Vordergrund rücken, hier können diese dann auch (de)aktiviert werden.

Tabs

Für den Internet Explorer neu ist die Möglichkeit Tabs frei zu verschieben und umzugruppieren, also etwa aus dem Fenster herauszuziehen und so eine neue Browser-Ansicht zu öffnen. Nett ist dabei die Integration mit Aero Snap, so kann dann etwa ein Tab einfach an den Bildschirmrand gezogen und so automatisch angeordnet werden - Windows 7 ist natürlich auch hierfür Voraussetzung.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Mit dem Internet Explorer 9 geht das Versprechen einher, dass Microsoft künftig voll und ganz auf offene Webstandards setzen will - die Zeiten in denen Web-EntwicklerInnen ihre Seiten extra für den Windows-Browser anpassen mussten, sollen endlich der Vergangenheit angehören. Dies bedingt natürlich auch, dass aktuelle Neuerungen in diesem Bereich offensiv unterstützt werden - und tatsächlich bedeutet die kommende Browsergeneration in dieser Hinsicht einen massiven Fortschritt.

Neu dabei

Auf der Liste der neu unterstützten Technologien finden sich denn unter anderem - etwas Buzzword-trächtig vereinfacht, aber das machen ja alle Hersteller so - CSS3 und HTML5, letzteres sogar mit dem ursprünglich eigentlich nicht geplanten Canvas-Support, hier hat man eine für das Web erfreuliche Anpassung an bestehende Realitäten vorgenommen. HTML5 Audio- und Video unterstützt man in diesem Zuge ebenfalls, wenn auch ohne freie Formate wie WebM oder Theora mitzuliefern. Allerdings unterstützt der IE ohnehin alle am System installierten Formate, hat man also etwa auf Windows WebM installiert, kann das dann auch der Browser nutzen.

Super, aber...

Ein weiterer wichtiger Neuzugang ist jener für das Vektorgrafikformat SVG, auf der Checkliste finden sich zudem das Web Open Font Format (WOFF), sowie DOM Level 2 und 3. Viel zu Begrüßendes - und doch: Im Vergleich zu anderen Browsern besteht hier weiterer Aufholbedarf, wie auch ein Check auf html5test.com verdeutlicht. Der Internet Explorer 9 kommt hier auf "nur" 96 Punkte, die aktuellen Testversionen von Opera, Firefox und Google Chrome erreichen hingegen in der aufgezählten Reihenfolge 159, 217 bzw. 241 Punkte.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Dass dem so ist, liegt schlicht daran, dass sich die Liste der vom IE9 noch nicht unterstützten HTML5-Technologien ebenfalls noch recht ausführlich liest. Dazu gehören etwa HTML5 Forms, Local-Device-Support, IndexedDB-Abspeicherung, die Web Workers, der Microdata-Support oder auch die Unterstützung von Geolocation. 3D-Unterstützung per WebGL sucht man ebenfalls noch vergeblich, eine Funktion die allerdings selbst bei Chrome und Firefox derzeit noch ziemlich experimentell ist.

Speed

Einen weiteren, erklärten Schwerpunkt in der Entwicklung der neuen Explorer-Generation stellt die Verbesserung der Performance dar. Immerhin wird der IE8 in aktuellen Benchmarks meist schon gar nicht mehr angeführt, weil andere Browser vor allem bei Javascript und Co. um ein vielfaches flotter sind. Damit soll der IE9 für alle mal aufräumen - so zumindest verspricht es Microsoft.

Chakra

Doch bevor es an konkrete Werte geht, ein bisschen Hintergrund: Die nötige Power für moderne Web-Anwendungen soll die neue Javascript-Engine mit dem Namen "Chakra" bringen. Diese ist vor allem auf den Einsatz mit Multicore-Rechnern optimiert, dies aus der Erkenntnis, dass heutzutage ein Großteil der eingesetzten Computer über eine CPU mit mehreren Kernen verfügen. In so einem Fall wird dann der Javascript-Code auf einem sonst freien Kern in Maschinencode umgewandelt, ist diese Hürde einmal genommen, geht es dann logischerweise recht flott zur Sache.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Anstrengungen, die sich durchaus bemerkbar machen, wie sich in unseren Benchmarks rasch zeigt. Für die Top-Position reicht es zwar (noch?) nicht, zum ersten Mal seit Jahren bewegt man sich hier aber wieder auf Augenhöhe mir der Konkurrenz. Vor den einzelnen Zahlen seien noch die Kontrahenten genannt, hier wurden jeweils die aktuellsten Entwicklungsversionen der anderen Browser verwendet, im Konkreten waren das dann eine Firefox 4.0b7 Nightly, Google Chrome Canary 7.0.524.0 sowie Opera 10.70_9047. Als Testumgebung diente ein Rechner mit Core-i7-860-CPU und 8 GByte RAM, der mit einem 64-Bit-Windows-7 betrieben wird.

Testlauf

Im Sunspider-Benchmark zeigt sich dabei ein ziemlich knappes Rennen, mit einem Wert von 607,6 ms musste sich die IE9 Beta nur knapp der Firefox Nightly (595,2 ms) geschlagen geben. Opera war mit 560,6ms ebenfalls nur einen Tick schneller, etwas abgesetzt lediglich Chrome mit 481,6 ms. Etwas klarer dann - wie gewohnt - die Unterschiede bei Googles V8-Benchmark: An der Spitze wie zu erwarten Chrome mit 8107 Punkten, gefolgt von Opera (5541), Firefox (3353) und IE9 (1881). 

Kraken

Und um die Javascript-Testrunde abzuschließen, noch die Ergebnisse mit Mozillas neuem Kraken-Benchmark, für den man verspricht, dass er besonders für "reale" Anwendungen relevant sein soll: Den besten Wert liefert hier Firefox mit 5663,9 ms, dahinter dann knapp beieinander Opera (10175,9 ms) und Chrome (11734,4 ms). Hier ist der IE9 etwas deutlicher abgeschlagen (42893,8 ms), wobei schon während dem Testlauf unübersehbar ist, dass dieser mit ein paar einzelnen Tests so seine liebe Not hat, die dann das gesamte Ergebnis negativ beeinflussen.

Jäger beats Beta

Eine kleine Anmerkung am Rande: Die aktuelle Benchmark-Runde zeigt übrigens auch, wie rasant sich der Markt derzeit in Performancefragen voranbewegt: Vor einigen Tagen wäre die IE9 Beta nämlich noch vor dem Firefox gelandet (wie es auch in Microsofts eigenen Benchmarks ausgewiesen wird), dass dem nicht mehr so ist, liegt daran, dass Mozilla gerade seine neue Javascript-Engine "Jägermonkey" in die Nightlies einfließen hat lassen. Die Firefox 4 Beta 6 (ohne "Jägermonkey") wäre sowohl bei Sunspider (670,2 ms) als auch bei V8 (1680 Punkte) noch hinter der IE9 Beta gelandet.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Wahre Wunderdinge verspricht sich Microsoft durch eine weitere Neuerung beim IE9: Die Grafikdarstellung wird nun hardwarebeschleunigt vorgenommen, die Power der GPU soll einen Performanceschub bringen, mit dem die Konkurrenz klar in den Schatten gestellt wird. In der Realität stimmt freilich nur die Hälfte davon: Ja, die Nutzung die Nutzung von Direct2D und DirectWrite  bringt in dieser Hinsicht einen enormen Geschwindigkeitszuwachs, aber nein: So einfach lässt sich die Konkurrenz natürlich nicht abhängen.

Realität

Dies da sowohl Firefox als auch Chrome selbst auch schon an entsprechenden Lösungen arbeiten, so ist etwa Direct2D-Support bei den Vorversionen des Mozilla-Browsers bereits von Haus aus aktiviert. Bei Chrome ist das Ganze hingegen noch ganz neu, in aktuellen Builds von Chrome Canary oder Chromium 7 müssen entsprechend dafür noch die Parameter "--enable-accelerated-compositing --enable-accelerated-2d-canvas" an den Programmaufruf angehängt werden. Einzig Opera muss in dieser Hinsicht derzeit leider vollständig passen.

Ausprobieren

Zur Illustrierung auch hierfür einige Benchmarks, zunächst aus der Schar von Microsofts eigenen IE-Testdrive-Demos: Bei Psychedelic Browsing erreicht IE9 1810 Punkte, der Firefox 1774, Chrome 1704 - alles also ziemlich auf dem gleichen Niveau. Der Benchmark taugt insofern vor allem um die Vorzüge von Hardwarebeschleunigung an sich zu zeigen, Opera erreicht hier nämlich magere 13 Pünktchen. Bei FishIE (1920x1080 Pixel / 1000 Fische) erarbeitet sich der IE9 hingegen einen gewissen Vorteil und kommt - nach ein paar Sekunden auf die vollen 60 Bilder pro Sekunde. Firefox erreicht immer noch 43, Chrome 36, Opera 2.

Unabhängig

Etwas anders sieht da das Bild schon beim - unabhängigen - Asteroidsbench aus, der einen vollständig in HTML5 und Javascript geschriebenen Asteroids-Klon zum Einsatz bringt: Dort erzielt der IE9 zwar gute 1701 Punkte, Opera ist mit 1719 aber noch einen Tick flotter, Chrome gar ein ganzes Stück (2541). Lediglich Firefox wird hier mit 739 Punkten abgehängt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Neben besserer Standard-Unterstützung hat der IE9 auch noch das eine oder andere neue "Schmankerl" für WebentwicklerInnen zu bieten: So hat man die Developer Tools erheblich erweitert, beispielsweise gibt es jetzt einen "Traffic Inspector", der den Netzwerkverkehr analysieren kann. Ebenfalls neu ist ein integrierter User Agent Switcher sowie ein besserer Javascript-Profiler.

Fazit

Woran viele wohl schon nicht mehr geglaubt haben, scheint hier gelungen: Microsoft schafft es tatsächlich mit der IE9 Beta wieder zur Konkurrenz aufzuschließen, ein Umstand dem man unabhängig von der eigenen Browser-Präferenz durchaus Respekt zollen kann. Die Performance bewegt sich in etwa auf dem Niveau des Mitbewerbs, mal etwas schneller, mal eine Spur langsamer - egal: Für den Internet Explorer ist all dies ein regelrechter Quantensprung. Der massive verbesserte Support für aktuelle Webstandards ist ein Fortschritt für das gesamte Web, auch wenn man hier im Vergleich zur Konkurrenz noch immer so manches schmerzlich vermisst. Aktuellen Browser-Trends folgt man mit der Reduktion des Interfaces, auch wenn die Kombination von Adress- und Tabzeile so ihre Tücken birgt. Bei der Integration mit Windows 7 hat man hingegen der Konkurrenz so manches voraus, eine Kombination, die Microsoft wohl in Zukunft noch stärker betonen wird.

Zyklen

Und doch - trotz all dieses Lobes ist die Zukunft des Internet Explorers noch mit einer entscheidenden Unwägbarkeit verbunden: Wird es Microsoft gelingen auf Dauer wieder eine fixe Größe im Browserrennen zu werden? Es ist das eine kurzfristig zur Konkurrenz aufzuschließen, viel schwieriger ist es aber auf Dauer relevant zu bleiben, mit der Spitze in diesem Bereich mitzuhalten - oder sie sogar selbst zu bilden. Dafür müsste Microsoft es vor allem auch schaffen seinen Release-Zyklus erheblich zu beschleunigen, gerade gegen einen Google Chrome, der alle sechs Wochen neue Features und Performanceverbesserungen bringt, wird der Internet Explorer mit seinem aktuellen Zyklus von 18-24 Monaten sonst schon bald wieder reichlich alt aussehen. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 19.09.10)

Screenshot: Andreas Proschofsky