Flüchtlingshelferin Karin Klaric vor dem Zufluchtsort für Abschiebungsgefährdete - Am kommenden Sonntag findet in der Arndtstraße 88 ein Tag der offenen Tür statt

Foto: DER STANDARD/Christian Fischer

Wien - Weiße Wände, blanke Böden und benutzerfertige Küchen in den Wohnungen, viel Platz im Hinterhof: "Anfangs werden vier Familien ins Freunde-Schützen-Haus einziehen. Aber wir haben an die 50 Anmeldungen", sagt Karin Klaric, Obfrau des Flüchtlingshilfsvereins Purple Sheep, "wir werden im Hof Wärmekanonen und Zelte aufstellen müssen."

Denn nicht wegen der Lage des Hauses oder wegen des Komforts werden in der Arndtstraße 88 in Wien-Meidling ab Freitag Menschen wohnen. Sondern weil sie nichts mehr zu verlieren hätten, nachdem ihre Abschiebung rechtskräftig geworden sei, sagt Klaric: "Seit heurigem Jänner werden Abschiebungen immer kompromissloser durchgeführt. Dabei kommt es zu Unmenschlichkeiten, gegen die scheinbar nichts zu machen ist. Dem wollen wir etwas entgegensetzen. Die Fälle sollen dokumentiert und öffentlich gemacht werden."

Und zwar unter Aufbringung von viel Zivilcourage. Ins Holztor, das die Durchfahrt zum Hof absperrt, wurde ein aufklappbares Sichtfenster gesägt. Durch dieses will man mit der Fremdenpolizei verhandeln, sollte sie Hausbewohner abholen wollen: "Den Abzuschiebenden steht eine Frist zu, um sich auf die Abreise vorzubereiten. Doch die Leute werden vielfach bei Nacht aus den Betten heraus abgeholt", schildert die Flüchtlingshelferin. Bei der Wiener Polizei widerspricht Pressesprecher Johann Golub: "Eine solche Frist ist nicht vorgesehen."

Zu den ersten Familien in der Arndtstraße werden die S. aus Armenien zählen, die derzeit täglich mit der Abschiebung rechnen: Vater, Mutter und zwei Kinder, die seit nunmehr zehn Jahren in Österreich leben. Der neunjährige Sohn Rafi ist psychisch krank: Er leidet an einer schweren Form von Autismus und wird am Wiener Rosenhügel behandelt. Als das Asylverfahren vor einem Jahr negativ endete, stellten die S. einen Antrag auf humanitären Aufenthalt. Obwohl beide Eltern - Akademiker - eine Jobzusage hatten und die Ärzte Rafis Verbleib in Österreich für nötig erachten wurde dieser abgelehnt. Immerhin wurde der Abschiebebefehl ausgesetzt.

Doch dann verschlechterte sich Rafis Zustand weiter - und die Mutter warf die Nerven weg: Sie versuchte, den Buben zu einem Spezialisten nach Deutschland zu bringen. Beide wurden aufgegriffen, der Abschiebeaufschub gestrichen: "Mit dem Argument, dass Rafis Transportfähigkeit damit bewiesen sei", sagt Klaric.

Hausbesitzer unterstützt

Solche Härten sind auch für den Immobilientreuhänder Hans Jörg Ulreich "inakzeptabel". Er hat in der Arndtstraße die zwei halben Stockwerke in dem teilsanierten Haus zur Verfügung gestellt, hat ein Hintergebäude niederreißen lassen, um Raum zu schaffen. Hat mit den Bewohnern und Geschäftbetreibern im Haus gesprochen und ihr Ja zu dem für unbegrenzte Zeit angesetzte Projekt samt Tag der offenen Tür am Sonntag, den 19. September erwirkt.

Klarics Absichten teile er voll und ganz, sagt Ulreich. Im heurigen Frühjahr versuchte er im niederösterreichischen Winzendorf, zusammen mit Gemeindebewohnern die Außerlandesbringung des Fußballtalents Bernard Karrica (9) und Familie zu verhindern. Die Initiative sammelte 15.000 Unterstützungsunterschriften, die Karricas wurden in den Kosovo zurückgebracht. (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe, 17. September 2010)