Washington - Es ist ein völlig neues Bild der Evolution des Aids-Virus, das US-Forscher anhand von neuen Daten liefern. Und für den Menschen bedeutet es nicht unbedingt etwas Gutes, was das Team unter der Leitung des Virologen Preston Marx vom Tulane National Primate Research Center in New Orleans über das Simian Immunodeficiency Virus (SIV) herausgefunden hat.
SIV ist die beim Affen auftretende Form von HIV und gilt als der evolutionäre Vorfahre des Aidsvirus beim Menschen. Im Gegensatz zur humanen Virenvariante verursacht SIV bei infizierten Tieren jedoch kein Aids, sondern verläuft gutartig. Im Laufe der Evolution haben sich Affenvirus und Wirt gewissermaßen "angefreundet", weil der Erreger vom Überleben des Affen mehr profitiert als von dessen Tod. Wie lange diese Abmilderung dauerte, war bisher unklar, da das Alter des SIV nicht genau bestimmt werden konnte.
Das hat nun das Team um Preston Marx herausgefunden, indem es DNA-Proben des Virus aus einer Affenpopulation auf der westafrikanischen Insel Bioko analysierte. Bioko war vor mehr als 10.000 Jahren noch eine Halbinsel, deren Fauna ist erst seit dieser Zeit vom Festland isoliert.
Für die DNA-Analyse sammelten die Forscher Proben von SIV-infiziertem "Bushmeat", dem Fleisch einer auf Bioko beheimateten Mandrillart. Darin fanden sich vier Stämme von SIV, die sich jedoch alle hochgradig von den auf dem Festland vorkommenden SIV-Stämmen unterschieden, berichten die Wissenschafter in Science (Bd. 329, S. 1504).
Lange Zeit zur Abmilderung
Vergleichsanalysen zeigten, dass Mutationen bei SIV offenbar sehr viel langsamer und seltener vorkommen als bisher angenommen. Die Berechnungen mithilfe eines Computermodells deuteten auf ein Alter des SI-Virus von mindestens 32.000 Jahren hin.
Möglicherweise ist SIV sogar schon vor mehr als einer Million Jahren entstanden - was für uns Menschen eher schlecht ist. Denn wenn SIV Tausende von Jahren Zeit hatte, um sich zu seiner jetzigen milden Form zu entwickeln, dann könnte auch bei HIV dieser natürliche Prozess länger dauern als bisher erhofft. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 18.09.2010)