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Foto: Reuters/Boylan

Fidel Castro fühlt sich missverstanden. Jeffrey Goldberg war bei ihm, den er für einen "großartigen Journalisten" hält, der "keine Phrasen erfindet, sondern überträgt und interpretiert". Und er warte schon mit allergrößter Spannung auf Goldbergs Interview, sagte er laut CNN.

Drei Tage lang stellte der Journalist aus dem Feindesland Nummer 1, dem gläubigen Amerika, eine messerscharfe Frage nach der anderen. Abends schauten sie mit Che Guevaras Tochter eine Delphin-Show an und speisten Fisch.

"Das kubanische Modell funktioniert nicht einmal mehr bei uns", soll Fidel plötzlich beim Essen gesagt haben - und er sprach da laut Goldberg, der die skandalöse Aussage schon vorab in seinem Blog zitierte, eher nicht von der Delphinzucht.

Castro beteuerte später, er habe sich ironisch geäußert, gemeint hätte er das genaue Gegenteil. "Die einfachste Form der Ironie besteht darin, das Gegenteil von dem zu sagen, was man meint", heißt es schließlich auf Wikipedia. Und: "Wer damit rechnet, dass Ironie nicht verstanden werden könnte, kann das, was er sagt, durch besondere Betonung, Gesichtsausdruck oder Gesten, sogenannte Ironiesignale, begleiten, damit der Zuhörer erkennt, dass das Gesagte ironisch gemeint ist."

Jetzt ist es freilich denkbar, dass der eine oder andere von Castros Gesichtsmuskeln demenzbedingt im entscheidenden Moment schlicht versagt hat. Oder dass er gerade an die halbe Million Beamte dachte, die sein Bruder Raul auf die Straße setzen will. Oder dass er im Geiste bereits an seinem Artikel für "La Jornada" arbeitete, in dem er Nicolas Sarkozy beschimpft und schreibt: "Der Mangel an Wahrheit und das Vorherrschen der Lüge sind die größte Tragödie in unserem gefährlichen Atomzeitalter."

Wie auch immer: Castro scheint an dem Missverständnis einzig und allein selbst schuld zu sein. An seinem Geisteszustand sei nämlich im Grunde nicht zu rütteln, das lässt Goldberg in seinem Blog-Eintrag durchblicken. (Dass in Havanna, wie Castro Goldberg auch erklärt, die Atomphysiker für das Aquarium zuständig sind, soll uns hier nicht verunsichern.) In besagtes Aquarium lud Fidel großzügigerweise Goldberg und seine Begleiterin ein, um die Delphin-Show zu sehen. Jemand aus Fidels engstem Kreis wies darauf hin, dass das Aquarium montags aber geschlossen sei.

"Morgen wird es offen sein", antwortete Fidel nur kurz. Und er hatte damit, wie Goldberg eingestehen muss, völlig Recht.

Und ein Mann mit diesen hellseherischen Fähigkeiten hätte also wissen müssen, dass auch der beste Journalist seine Ironie einfach nicht checken wird. (Martin Putschögl, derStandard.at, 18.9.2010)