Die IAEO geht seit dem Abgang von Generaldirektor Mohamed ElBaradei gröber mit dem Iran um und umgekehrt, gleichzeitig steigt der Druck in der IAEO auf Israel, seine nuklearen Angelegenheiten in Ordnung zu bringen. So wird das jedenfalls im Nahen Osten gesehen, wo Volkes Stimme kritisiert, dass Israel als mutmaßlicher potenter Atomwaffenstaat unhinterfragt bleibt, während Iran für viel weniger abgestraft wird.

Der Unterschied liegt rechtlich natürlich darin, dass Iran als Unterzeichner des Atomwaffensperrvertrags Verpflichtungen eingegangen ist, die Israel als Nichtunterzeichner nicht hat. Die offizielle arabische Linie ist deshalb, Israel zum Beitritt zum NPT (Non-Proliferation Treaty) aufzufordern, ohne die israelischen Waffen - die Israel gemäß seiner Politik der „nuklearen Ambiguität" nicht deklariert - direkt anzusprechen. Gleichzeitig wird die Einrichtung einer atomwaffenfreien (beziehungsweise massenvernichtungswaffenfreien) Zone im Nahen Osten verlangt.

Das Dilemma der Araber besteht darin, dass sie eine iranische nukleare Kapazität zum Atomwaffenbau fürchten und die internationale Gemeinschaft unterstützen, wenn diese von Teheran Transparenz und Sicherheiten verlangt. Genauso fürchten die arabischen Regierungen aber den Vorwurf, mit der USA - und mit Israel - gegen Iran zu kooperieren.

Bei der vergangenen NPT-Überprüfungskonferenz im Juli in New York erkauften sich die USA eine Schlusserklärung und damit einen „Erfolg" der Konferenz um den Preis, dass diese atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten in die Erklärung aufgenommen wurde. Auch bei der IAEO-Generalkonferenz wollen die arabischen Länder die Forderung, womöglich in Resolutionsform, weiter betreiben - und sehen sich mit starkem US-Gegendruck konfrontiert. Wenn Israel „an den Pranger gestellt" werde, führe das lediglich zu einem Boykott Israels der für 2012 geplanten (und ebenfalls in der NPT-Erklärung genannten) Nahost-Abrüstungskonferenz, so die Position Washingtons.

Keine Zeit für Amano

Beides ist Augenauswischerei: Resolutionen und Erklärungen dieser Art sind nichts Neues, und die US-Behauptung, durch die Unterlassung solcher Forderungen eher einen Sinneswandel in Israel hervorzurufen, ist auch nicht realistisch. Der neue IAEO-Chef Yukiya Amano, in Israel ungleich beliebter als sein Vorgänger, wurde zuletzt von Premier Benjamin Netanyahu nicht einmal empfangen, ein Signal dafür, für wie irrelevant Israel die IAEO für seine eigenen Atomfragen empfindet. Wenn überhaupt würde Israel ohnehin nur nach einem umfassenden - und lange Zeit getesteten - Frieden mit allen seinen nahen und entfernteren Nachbarn seine Waffen abrüsten.

Öfter hinterfragt wird jedoch heute die israelische Politik der „Amimut", der nuklearen Undurchsichtigkeit, die zwischen Israels Premierministerin Golda Meir und US-Präsident Richard Nixon 1969 abgesprochen wurde, als Israel den USA eröffnete, bereits im Besitz der Bombe zu sein. Einerseits finden einige - wenige - Kräfte in Israel, die Politik entspreche nicht einem modernen demokratischen Staat, der ja auch seine eigenen Bürger im Unklaren lasse. Gewichtiger sind jedoch jene Stimmen, die meinen, Israel solle seine Atomwaffen in der alten Tradition der Abschreckung deklarieren, an den Iran gerichtet. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, Printausgabe, 20.9.2010)