Bild nicht mehr verfügbar.

Zum alljährlichen UN-Treffen der Staats- und Regierungschefs das alljährliche Maskenspiel der Protest-Community: Spanische Aktivisten setzen heuer auf die entlarvende Wirkung von Sträflingskostümen.

Foto: EPA

Mit starkem politischem Willen und ausreichenden finanziellen Mitteln bleiben die Ziele noch in Reichweite - auch in extrem armen Staaten", gibt sich UN-Generalsekretär Ban Ki-moon vor dem am Montag startenden UN-Millenniumsgipfel über Entwicklung zweckoptimistisch. Schwer zu glauben, denn: Der Anteil der Menschen, die Hunger leiden, soll bis 2015 halbiert werden, so das oberste der im Jahr 2000 gesteckten Entwicklungsziele. Die Bilanz fällt nach zehn Jahren jedoch ernüchternd aus. Die Zahl chronisch hungernder Menschen stieg 2009 auf den historischen Höchststand von über einer Milliarde Menschen. Täglich sterben 25.000 Männer, Frauen und Kinder an Hunger und seinen Folgen.

Zwei Drittel aller Hungernden leben in ländlichen Gebieten - paradoxerweise dort, wo Nahrung produziert wird. Ihre Ressourcen reichen nicht aus, um die Lebensgrundlage zu sichern. 70 Prozent der Menschen in extremer Armut sind Frauen und Kinder. Frauen verzichten in Krisenzeiten als Erste auf Mahlzeiten, zugunsten von Männern und Kindern. Trotz ihrer Schlüsselrolle in der landwirtschaftlichen Produktion sind gerade Frauen nach wie vor im Zugang zu Land und Krediten benachteiligt. Ihr enormes Wissen, ihre Anliegen und Bedürfnisse werden noch viel zu wenig einbezogen, wenn es darum geht, die Ursachen des Hungers zu analysieren und Maßnahmen zu seiner Bekämpfung zu setzen.

Die Verwirklichung der Millenniumsziele benötigt gemeinsame Anstrengungen aller Akteure. Darüber herrscht Einigkeit. Doch weiterhin fehlt an allen Ecken und Enden das Geld. In der vom Europäischen Rat im Juni dieses Jahres vereinbarten Position findet sich nur eine vage Bestätigung der bis 2015 zugesagten Entwicklungshilfequote von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Verbindliche Indikatoren und Prüfmechanismen, wie sie der frühere Entwurf der EU-Kommission vorgesehen hatte, sind wieder vom Tisch.

Auch in der österreichischen Politik wird mit schönen Worten vieles befürwortet, solange es nichts kostet. Im Oktober 1970 (!) hat Österreich erstmals einem UN-Beschluss zugestimmt, bis Mitte der 1970er-Jahre 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommen (BNE) für Entwicklungszusammenarbeit zu leisten. Die Bilanz für das Jahr 2009: Österreich trägt gerade einmal 0,3 Prozent des BNE zur Entwicklungszusammenarbeit bei. Unter Abzug der Ausgaben für Flüchtlinge, ausländische Studenten und Schuldennachlässe für Entwicklungsländer bleiben in Österreich überhaupt nur 0,25 Prozent des BNE für "echte" Armutsbekämpfung übrig. Zum Vergleich: Schweden steuert 1,12 Prozent des BNE zur internationalen Armutsbekämpfung bei,

Fortschritte bei der Verwirklichung von Millenniumsentwicklungsziel Nummer eins sind nicht nur erforderlich, um Armut und Hunger zu reduzieren. Sie sind auch eine notwendige Voraussetzung dafür, alle anderen Ziele umzusetzen. Bereits vor der globalen Wirtschafts- und Ernährungskrise ist die Zahl der Menschen, die in Armut leben, in einigen Ländern und Regionen der Welt angestiegen. Deshalb müssen zukünftige Strategien der Armutsbekämpfung in alternative Entwicklungsstrategien integriert werden

Von zentraler Bedeutung sind zum einen die Schaffung produktiver Beschäftigung bei höheren Löhnen, zum anderen umfangreiche Investitionen in die kleinbäuerliche Landwirtschaft, um die lokalen Märkte mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen und sie vor Billigimporten, Preisverfällen und Naturkatastrophen zu schützen. Investitionen in Katastrophenvorsorge retten Menschenleben und verhindern, dass Menschen in extremer Armut ihre letztes Hab und Gut verlieren. Geschätzte 40 Milliarden Dollar wären pro Jahr nötig, um die notwendigsten Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in Entwicklungsländern zu realisieren, - "Ziele in Reichweite"? Die Botschaft hören wir wohl ... (Andrea Wagner-Hader, DER STANDARD, Printausgabe, 20.9.2010)