Es gibt Tage, da ähnelt die türkische Innenpolitik einer Wäschetrommel. Man stopft etwas in die Maschine, alles dreht und vermengt sich, kommt und geht wieder und ist am Ende nicht unbedingt sauberer. Deniz Baykal ist so ein Kandidat für die Wäschetrommel. Der frühere Generalsekretär der Republikanischen Volkspartei, einst Kemal Atatürks Einparteien und jetzt solide in der Opposition verankert, ist ein Meister der Wahlniederlagen, aber auch der politischen Wiedergeburt. Zweimal hat er schon hingeschmissen und sich dann mit einem Manegentrick wieder als Parteichef inthronisiert. Jetzt, wo sein Nachfolger Kemal Kilicdaroglu gerade auf erster Auslandsreise nach Brüssel und Berlin war, hat den 72-jährigen Herrn wieder der Ehrgeiz gepackt.

Baykal erzählte in den vergangenen Tagen jedem, der es hören wollte oder nicht, dass nach der vermasselten Kampagne für das Nein zur Verfassungsänderung ein Parteitag her müsse, auf dem alles diskutiert wird. "Alles" heißt eigentlich nur die Person des neuen Generalsekretärs Kilicdaroglu, gerade vier Monate im Amt, nachdem eine Videokassette mit einer angeblichen Bettszene den bisherigen Parteichef Baykal unhaltbar machte. In der Wäschetrommel sitzen aber noch andere, zum Beispiel Vizeparteichef Önder Sav, den viele sozusagen für das größte Handtuch halten, weil er doch jahrelang Deniz Baykal gegen alle Angriffe verteidigt hatte und dann mit einem Dreh Kilicdaroglu zum Chefposten verhalf - vorerst einmal. "Baykal hat Fantasien", sagt Önder Sav. Jetzt ist die Parteitagsdiskussion vorbei.

Dafür tauchen die Anhänger der "Volkshäuser" wieder auf, kemalistisches Urgestein, vom Republikgründer 1932 zur Erleuchtung des Volkes gegründet, im Gefolge des Mai 1968 scharf links abgebogen, aber eigentlich schon 1950, nach dem ersten Regierungswechsel in der Republik aufgelöst. Heute Mittag zog ein Trupp dieser "halkevleri" durch Kiziltay im Zentrum von Ankara, umkreist von einer ebenbürtigen Zahl an Polizeibeamten in Zivil, die in Walkie-Talkies raunten und die Passanten musterten. "Mit der AKP geht der 12. September weiter", stand auf einem der Transparente zu lesen. Gut eine Woche vorher war alles doch noch genau umgekehrt: Mit der Regierungspartei AKP und der von ihr erreichten Verfassungsänderung hat die Putschordnung in der Türkei einen schweren Schlag erhalten, auch das Militär muss sich nun in weit größerem Maß vor Zivilgerichten verantworten.

Doch die "halkevleri" mit ihren orangefarbenen Fahnen zeigen, was alles möglich ist in der türkischen Waschmaschine. Dienstag war nämlich erster Prozesstag gegen sechs inhaftierte Mitglieder der "Volkshäuser" in der Schwarzmeerstadt Samsun. Die Straftaten: Bild von Deniz Gecmis, einen 1972 hingerichteten Linksaktivisten, bei einer Demonstration hochgehalten, Geschäftsmann Ali Sabanci mit Eiern beworfen, gegen den amtierenden Staatspräsidenten Abdullah Gül auf die Straße gegangen.