Elf Frauen, eine Redaktion: Das sind die Spacies, die seit zehn Jahren feministische Themen von Linz aus in den Äther schicken. Zielgruppe: Alle HörerInnen der Freien Radios.

Foto: SPACEfemFM

Wenn zehn Jahre Bestehen kein Grund zum Feiern sind, was dann? Die Party steigt am 8. Oktober mit Electric Indigo, Cherry Sunkist u.v.m.

Flyer: SPACEfemFM

"Listen to the female" kann frau unter der Frequenz 105.0 MHz jeden 1., 3. und 4. Freitag im Monat und jederzeit im Internet.

Flyer: SPACEfemFM

1998 wurde einiges anders in der Medienlandschaft Österreichs: Durch die Freigabe der Sendelizenzen in Rundfunk und Fernsehen konnten sich Menschen in die Radio- und Fernsehstrukturen hineinbegeben, die davor lediglich RezipientInnen waren - oder PiratInnensender betrieben haben-, und diese Strukturen mit neu formen. 

Kommerzielle Privatradios wie nicht-kommerzielle Projekte mit der Idee eines Freien Radios rangelten um die begrenzte Anzahl der Lizenzen, regional setzten sich die finanziell gut gestützten BewerberInnen durch. Doch auf lokaler Ebene gingen die Bemühungen der Freien Radios auf: Die Salzburger Radiofarbik und Radio Orange in Wien waren die ersten, die auf Sendung gingen; das Linzer Radio Fro (Freier Rundfunk Oberösterreich) folgte alsbald.

Eine eigene Frauenredaktion

Die Freien Radios stehen für die offene Partizipation von allen Personen und Gruppen, für unzensierte Meinungsäußerung unter gemeinnützigen Aspekten; nicht zuletzt verpflichten sie sich auch der Förderung weiblicher Mitwirkung in allen Bereichen. Vor diesem Hintergrund fand 2000 ein österreichweites Projekt auf Initiative von Radio Orange mit Unterstützung der EU statt, das zum Ziel hatte, Frauen in allen Programmbereichen der Freien Radios zu integrieren. Radio Fro initiierte im Rahmen dieser Veranstaltung "FEM FM Connected", einen Frauen-Radio-Workshop mit dem Ansatz, eine eigene Frauenredaktion zu schaffen. Und das war erfolgreich: Es trafen sich dort acht Frauen, bei denen die Chemie stimmte, und sie gründeten "SPACEfemFM".

"Bedürfnis, feministische Themen on air zu schicken"

Seit zehn Jahren sind die "Spacies", wie sich die Redaktionsfrauen nennen, auf Sendung. Und sie sind fleißig: Mittlerweile auf ein Team von elf Redakteurinnen im Alter zwischen 34 und 58 Jahren angewachsen, wird jeden ersten, dritten und vierten Freitag im Monat eine Stunde Programm gesendet. Ganz frei, ganz unbezahlt, "aus Spaß und aus dem Bedürfnis heraus, feministische Themen on air zu schicken", sind sich die Frauen einig. "Wir machen die Radioarbeit nicht um reich zu werden, geschweige denn um ernsthaft etwas Geld zu verdienen." 

Trotz der prekären Grundbedingungen leidet das Frauenkollektiv nicht an Personalschwund, bestätigen die Spacies: "Das Konzept unseres Tuns, und vielleicht liegt auch da das Geheimnis unseres langjährigen Bestehens, war von Anfang an, es gibt kein 'muss'." Zudem sei das Feine an der Arbeit in den freien Radiostationen, "dass es da einen Auftrag gibt", schwärmt Mitbegründerin Helga Schager, "kreativ, experimentell, politisch zu arbeiten ohne 'Beschneidung'. So kann auch das Lustvolle und der Humor ungehemmt ausgelebt werden."

Dass es auch an Themen nie mangelt, ist dem Gruppenwesen zu verdanken, weil jede der elf Frauen ihre Interessen einbringt - und ihr Know How, nicht zuletzt technisches. Denn jede bearbeitet ihren Beitrag selbstständig oder, falls es sich um Kooperationen handelt, zu zweit, von der Recherche über die Aufnahme, das Cutting oder Mixing. "Wir haben Listen mit Themen, die wir gerne behandeln möchten. Aber - wer kennt das nicht - die Zeitressourcen vom Team sind begrenzt, da wir vorwiegend ehrenamtlich arbeiten und mit 'Überlebensjobs' eingedeckt sind."

Tausendsasserinnen

Dass die Spacies so multitalentiert wie vielseitig - mit besagten, oft prekären Jobs meist im Kulturbetrieb - beschäftigt sind, zeigen ihre beruflichen Engagements: Die Künstlerinnen/Kulturaktivistinnen Claudia Dworschak, Elfriede Ruprecht-Porod und Helga Schager sind neben Hildegard Griebl-Shehata, Erwachsenenbildnerin, der diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester, Bau- und Möbeltischlerin und Hörgeräteakustikerin Margit Happerger ebenso mit im Team wie die "Kulturtäterin" Eva Immervoll, ihres Zeichens auch Geschäftsführerin der "KUPF-Kulturplattform OÖ"; die Architektin Edith Karl gehört dazu, die Medien-Kultur-Theoretikerin Sabine Schauer, die Sozial- und Kulturarbeiterin Michaela Schoissengeier und auch Susanne Wiesmayr, Sozialpädagogin, Sozialpädagogin, Supervisorin und Coach, Moderatorin, Musikerin und DJ.

Trotzdem haben die Redakteurinnen ein Mal im Monat Zeit, sich zu treffen und die Themen zu besprechen. Auch Klausuren fürs Neusammeln und Austausch finden statt. Aber: "Wir sind schon draufgekommen, je größer die Gruppe, desto schwieriger ist es,  einen gemeinsamen Termin zu finden. Und das gemeinsame Tun, dass jede Frau immer am laufenden Stand ist, ist für das Bestehen einer Gruppe schon sehr wichtig", schildert Schager.

Keine Förderung vom Bund

Nicht weniger wichtig ist die finanzielle Abgesichertheit, damit weiterhin Frauenradio gemacht werden kann. Doch daran hapert es von Seiten des Bundes, dem potenziell größten Geldgeber. Jegliche Versuche, und es waren viele, betonen die "Spacies", beim Bund erfolgreich um Fördergelder anzusuchen, sind gescheitert. Die Gründe dafür seien vielschichtig: "Der Dschungel der Abteilungen, wo wir eventuell Chancen hätten, ist meist mit sehr vielen Auflagen und Vorgaben verbunden, die für einen kleinen Verein wie uns das 'Aus' bedeuten könnten." Und auch in den Abteilungen beim Bund, die für Kunst und Kultur - ein Schwerpunkt der SPACEfemFM-Arbeit liegt in diesem Bereich - zuständig sind, "fallen wir auch aus der Förderschiene, weil das Medium 'Radio' kaum als Werkzeug für eine künstlerische Arbeit anerkannt wird." Förderungen gibt es also nur von der Stadt Linz, dem Land Oberösterreich und den Frauenreferaten.

Ein Jahr Arbeit reingesteckt

Dennoch wird nicht an der Qualität der Sendungen gespart: Besonders stolz sind die Spacies auf ihre Radioprojekte, an denen sie gut und gerne ein Jahr lang arbeiten. Wie an den "Brüchen", die 2005/2006 über neun Sendungen hinweg Einblicke in die Lebenswelten tschechischer und oberösterreichischer Frauen gegeben haben; oder dem Projekt "Vom Rand in die Mitte" 2008/2009, das sich mit Frauen und Macht im demokratischen Alltag auseinandersetzt. Im Rahmen dieser Reihe wurde die feministische Sprachforscherin Luise F. Pusch ebenso interviewt wie die Redakteurinnen die Wirkmacht und Rollenzuschreibungen der Figuren in Grimmschen Märchen mittels Hörspielform analysiert haben. Einige Radioprojekte betreiben die Macherinnen als "work in progress": "Michis kleiner bunter Musiksalon" hat mittlerweile acht Beiträge über weibliche Musiker zu bieten, und von Helga Schagers "Listen To The Female Artists" sind bis dato 23 Künstlerinnenporträts zu hören, die auch auf CD erhältlich sind.

Austausch

Der Vernetzung mit anderen Frauenradios wird bei den Spacies ein großer Stellenwert zugeschrieben: Sie besuchen andere Redaktionen wie die der "genderfrequenz" aus Graz, um sich und auch Sendebeiträge auszutauschen: "Wir übernehmen Sendungen von anderen - und umgekehrt. Wir entdecken immer wieder Sender, die unsere Sendungen ausstrahlen. Das freut uns." Dass das so gut klappt, ist auch eine Erleichterung für die einzelnen Redaktionen: "Geht es uns zeitlich nicht aus, einen Sendetermin zu füllen, bespielen wir ihn mit Austauschsendungen von anderen freien Radiostationen. Spannende frauenthematische Sendungen gibt es ja aus der autonomen Radioszene genug! Oder wir greifen auf unser großes Archiv zurück", erklärt Schager.

Radioschwestern vom Schwesternradio

Aber nicht nur auf nationaler Ebene passiert Austausch: Aktuell liegt Schager die Zusammenarbeit mit dem Linzer Kulturverein Peligro, dessen Schwerpunkt auf interkulturellen Projekten liegt, am Herzen. Gemeinsam mit den ProjektmitarbeiterInnen bereiste sie im Februar und März diesen Jahres Nicaragua auf den Spuren der dortigen Frauenbewegungs- und Frauenaktivistinnen. Resultat dieser Reise ist eine achtteilige Radioproduktion samt Videodokumentation mit Schwerpunkt auf dem Schwesternradio "Palabra de Mujer".

"Nicaragua ist ein vom Machismo geprägtes Land, Frauenrechte sind klein geschrieben", berichtet Schager, "und das autonome Frauenradio 'Palabra de Mujer' in Bocana de Paiwas ist eine wichtige Botschafterin der einheimischen Frauenbewegung." Das Hauptaugenmerk des Senders liegt auf den sexuellen und reproduktiven Rechten von Frauen. "Hinter der täglichen Sendung 'Bruja mensajera' - die Hexe, die sich kein Blatt vor dem Mund nimmt und Tacheles spricht - verbirgt sich Jamileth Chavarria, die machistischen Machtansprüchen einen Spiegel vorhält", erzählt Schager. Über diese Figur wurde das Frauenradio auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Das kommende Zehnjahresfest von SPACEfemFM steht ebenfalls im Zeichen dieses Austauschs: "Der Erlös der Eintrittsgelder ergeht an unsere engagierten, couragierten Radioschwestern in Nicaragua."

Leichtigkeit und Neugier

In den zehn Jahren Sendetätigkeit haben es die Redakteurinnen auf stolze 240 Eigenproduktionen gebracht;  den Standard und das Engagement zu halten, hat ihnen auch schon einige Preise wie den OÖ Landeskulturpreis für Initiative Kulturarbeit eingebracht. Außerdem haben sie sich als Kulturaktivistinnen der freien Kulturszene und der Frauen-Kultur-Szene über den Äther hinweg einen Namen gemacht. Und die sonstige Bilanz nach zehn Jahren Frauenradio? "Wow, sind wir gut!", schmunzeln die Spacies. Und die Pläne für die nächsten zehn Jahre? "Weiterhin Sendungen mit viel Leichtigkeit produzieren, uns weiterhin gut vernetzen und weiterhin neugierig bleiben." (bto/dieStandard.at, 23.9.2010)