Tallinn - Der Vorsitzende der estnischen Roma, Roman Lutt, hat vor einer Pogromstimmung gegen die Minderheit in Estland gewarnt. Lutt äußerte seine Befürchtungen am Dienstag, nachdem estnische Medien einen gefassten mutmaßlichen Doppelmörder namentlich als vorbestraften Kriminellen und als Angehörigen der Minderheit identifiziert hatten.

"Ich möchte mich im Namen unserer kulturellen Verbände öffentlich entschuldigen. Wir sind ebenfalls empört über die Tat und besorgt, dass unsere ganze Gemeinschaft und unsere Kinder als Schuldige angesehen werden und wir alle zusammen dazu aufgefordert werden könnten, unsere Sachen zu packen und anderswo hinzugehen", sagte der Minderheitenvertreter in einem Interview im estnischen Fernsehen. Lutt verwies darauf, dass Mörder und deren nächste Angehörige aufgrund der Roma-Tradition aus ihrer Gemeinschaft ausgestoßen würden.

Ein polizeibekannter 58-Jähriger hatte am 16. September in der Region Tartu mutmaßlich zwei Pensionistinnen überfallen und ermordet. Der Mörder setzte nach den beiden Taten jeweils die Behausungen der Opfer in Brand.

Während der deutschen Besatzungszeit wurden praktisch alle der damals in Estland ansässigen aufgegriffenen Roma von den Nazis und ihren estnischen Helfern ermordet. Heute leben nach groben Schätzungen zwischen 500 und 1.500 Roma in dem baltischen Staat. Der von Lutt geführte Kulturverband der nordestnischen Roma ist im ganzen Land federführend. (APA/BNS)