Wien - "Die Krebstherapie wird immer zielgerichteter. Aber zielgerichtet bedeutet nicht immer ohne Nebenwirkungen." - Dies erklärte Gabriela Kornek, Onkologin am Wiener AKH, bei einem Hintergrundgespräch des US-Pharmakonzerns Amgen. Substanzen aus der Reihe der Biotech-Medikamente würden die Behandlung von Onkologie-Patienten zum Teil wesentlich erfolgreicher machen. Im Hintergrund aber schwelt zunehmend eine Expertendebatte über Biosimilars, also Biotech-Arzneimittel, die nach Ablauf von Patentfristen von Produkten der Originalhersteller auf den Markt kommen.

Reduktion tumorbedingter Symptome

"Durch die Weiterentwicklung der Zytostatika, die Entwicklung von zielgerichteten Therapien mit Biologika und den Einsatz moderner Therapiekonzepte konnte eine signifikante Verbesserung der Überlebenszeit sowie eine Reduktion tumorbedingter Symptome bei beinahe allen Tumorarten nachgewiesen werden", sagte die Onkologin. Erfolge seien auch bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen - z.B. bei Brust- und Dickdarmkrebs - zu erzielen. Gabriela Kornek: "Wahrscheinlich stehen wir hier aber noch am Anfang."

Zwar würden die neuesten Krebsmedikamente bereits sehr spezifisch vorher identifizierte Zielstrukturen auf und in Krebszellen angreifen, doch man sei auch erst dabei, Kriterien zu identifizieren, um die jeweils geeignetsten Patienten für ein bestimmtes Präparat zu finden.

Verbesserung der Lebensqualität

Neben der ursächlich wirksamen Krebstherapie stellt allerdings auch die unterstützende Behandlung zur Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen eine genauso wichtige Säule dar. Clemens Leitgeb, Oberarzt am Zentrum für Onkologie und Hämatologie am Wilhelminenspital in Wien: "Das ist die Basis, auf der alles aufbaut. Man kann klinisch nichts tun, wenn der Patient sagt: 'Da mach' ich nicht mehr mit'. Es geht um die Lebensqualität und die Autonomie des Patienten." Unter Verwendung der neuesten Medikamente zur Verhinderung von Übelkeit und Erbrechen bei Chemotherapie - daran leiden 60 bis 90 Prozent der Behandelten - können diese Symptome am Beginn zu 70 und insgesamt zu mehr als 50 Prozent verhindert werden. Neu ist hier ein Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonist, welcher im Gehirn wirkt und offenbar einen noch besseren Effekt als die bekannten Setrone bei weniger Nebenwirkungen besitzt.

Biosimilars

So gut Biotech-Arzneimittel wie monoklonale Antikörper, Blutwachstumsfaktoren etc. in der Krebstherapie wirken, die erste Generation dieser Medikamente ist mittlerweile von zunehmenden Patentabläufen der Original-Entwickler und -Hersteller betroffen. Andere Unternehmen drängen mit billigeren Biosimilars auf den Markt. Sie sind "Nachbauten", ohne im herkömmlichen Sinn "Generika" sein zu können. Chemisch-synthetische Substanzen können nämlich Wirkstoff-ident erzeugt werden, Biotech-Medikamente sind nie ganz gleich.

Damit stellt sich die Frage, ob Biosimilars wirklich dem Originalpräparat entsprechen und ob man Patienten mit chronischem Bedarf auch auf die billigeren Nachfolgepräparate umstellen könnte. Es geht um viel Geld: Im Jahr 2009 dürfte der weltweite Umsatz von Biopharmazeutika bei 73 Mrd. Euro liegen, bis zum Jahr 2015 wird laut Angaben des Biosimilar-Herstellers Sandoz ein geschätztes Umsatzvolumen von rund 50 Mrd. Euro patentfrei.

Der Innsbrucker Onkologe Günther Gastl: "Das Gleiche ist nicht dasselbe! Ein 'Biosimilar' ist, wie der Name schon sagt, ähnlich, aber keinesfalls ident mit der Originalsubstanz! (...) 'Biosimilars' sind uns willkommen - nicht zuletzt auch deshalb, weil mit ihrer Einführung auch die Anbieter der Originalsubstanzen ihre Preise reduziert haben - aber bitte mit besonderer Vorsicht!"

Keine Einnahme von Gesunden und Kindern

Der Fachmann, derzeit Präsident der österreichischen Onkologen- und Hämatologen-Gesellschaft: "Die ÖGHO hat ein Positionspapier zum richtigen Umgang mit 'Biosimilars' herausgegeben. Wesentliche Punkte hierbei sind: Sie sollen vorerst nicht an Gesunde, zum Beispiel im Zuge einer Stammzellspende, und nicht an Kinder mit onkologischen Erkrankungen verabreicht werden. 'Biosimilars' dürfen nur von Ärzten verschrieben werden (...)." Wechselten diese im Laufe einer längeren Therapie die Medikamente aus, sollte besonders vorsichtig gehandelt werden.

Freilich, auch die Biotech-Präparate der Originalhersteller haben - wegen des Produktionsprozesses in Zellsystemen - eine gewisse Bandbreite in ihren Merkmalen. Genau in diese Bandbreite - so stellen die 'Biosimilar'-Hersteller fest - will man mit diesen Produkten kommen. Langzeiterfahrungen mit 'Biosimilars' gibt es bisher ebenso wenig wie Hinweise auf gröbere Probleme mit solchen Produkten. Hier sind Industrie und Medizin erst in der Anfangsphase. (APA)