
Edwyn Collins: "Losing Sleep" (Heavenly/Universal)
Mit "Home Again" wärmte Edwyn Collins vor drei Jahren die Herzen seiner Fans. Es war das nicht unbedingt zu erwartende Lebenszeichen nach zwei Schlaganfällen, die den Schotten eines Gutteils jener Fähigkeiten beraubt hatten, die man zum Leben braucht. Unter anderem musste der heute 51-Jährige neu sprechen lernen. Doch Collins erwies sich als nicht unterzukriegen und stellte "Home Again", das er vor seiner Krankheit begonnen hatte, fertig. In den drei Jahren, die seitdem vergangen sind, therapierte sich Collins beständig zurück in sein Leben. Das nun erscheinende "Losing Sleep" gilt demnach als eigentliches Comeback-Album. Und wieder wärmt er Herzen.
Collins schrieb in den 1980ern kleine Musikgeschichte, als er auf dem Postcard-Label mit der Band Orange Juice beseelte Popmusik veröffentlichte, darunter einige Insel-Hits wie "Rip It Up". Ab 1989 startete er eine Solokarriere, die mäßig erfolgreich verlief. Bis 1995 das Album "Gorgeous George" erschien. Darauf befand sich die Single "A Girl Like You", mit der er große Popgeschichte schreiben sollte. Im Laufe von 18 Monaten stürmte dieser Song in über einem dutzend Länder die Charts und bescherte dem damals Plattenvertraglosen einen Geldregen, da er lediglich Distributionsverträge abschließen musste. Kein Verlag schnitt an den Einnahmen mit.
Collins richtete sich ein Studio mit analogen Spezialgerätschaften ein, das von Acts bis hin zu Robbie Williams gebucht wurde und wird. Edwyn ging es gut. Arbeiten wie "I'm Not Following You" oder "Doctor Syntax" boten weiterhin intelligent-charmanten Pop mit tropfender Unterlippe - einem Merkmal Collins'. Zumindest bei Livekonzerten, von denen Wien Ende der 1980er, Anfang der 1990er einige erlebte. Werner Geier sei's gedankt.
Für "Losing Sleep" griffen Collins nun gleich mehrere Generationen Brit-Pop-Helden unter die Arme. Johnny Marr (The Smiths) lässt seine Gitarre flirren, Paul Cook (The Sex Pistols) rührt ein paar Trommeln. Alex Kapranos und Nick McCarthy von Franz Ferdinand - die wesentlich von Orange Juice inspiriert sind - singen und spielen ebenso mit wie Romeo Stodard von den Magic Numbers oder Roddy Frame. Auch die Band The Drums ist dabei. Und Edwyn, der Unbeugsame, er singt so einnehmend und hingebungsvoll wie immer. Auch wenn er heute nicht mehr auf Monitorboxen surfen oder die Gitarre selbst spielen kann; seine Handschrift erblüht hier neu. Man höre nur "I Still Believe In You" - ein perfekter Popsong! Oder "It Dawns On Me" - ein Traum!
Das war immer Collins' Ziel. Den perfekten Song in drei, vier Minuten zu schreiben. Wenige können das besser. "Losing Sleep" bietet zwölf davon. Zeitlos und angesichts seiner Biografie entsprechend berührend. (Karl Fluch/ DER STANDARD, Printausgabe, 24.9.2010)