Wien - Die gerichtliche Anordnung, wonach der ORF sämtliches Rohmaterial zum Dreh einer "Am Schauplatz"-Reportage herausgeben muss, hat am Donnerstag für heftige Kritik gesorgt. ORF-Redakteurssprecher Fritz Wendl zeigte sich empört über die "Hartnäckigkeit mit der die Wiener Neustädter Staatsanwaltschaft das Redaktionsgeheimnis bekämpft", dies sei "mit in demokratischen Gesellschaften üblichen Standards der Medienfreiheit unvereinbar."

Wendl kritisiert auch die ORF-Führung und nennt die Herausgabe des Rohmaterials eine "Fehlentscheidung". Die Herausgabe sei "unverständlich, feige und natürlich auch kein produktiver Beitrag zur Förderung der unverzichtbaren öffentliche Diskussion", so Wendl. Die ORF-Spitze hätte bereits im März der Forderung des Redakteursrats nachkommen und juristisch gegen Strache vorgehen sollen, So der Redakteurssprecher. "Wäre das geschehen, wäre nun vielleicht schon gerichtlich geklärt, was von den Aussagen des FPÖ-Obmanns zu halten ist", teilte Wendl mit.

Informationsfreiheit, dürfe, "selbst dann, wenn ein Journalist zum 'Beschuldigten' (gemacht) wird, nicht ganz einfach eingeschränkt werden", erinnert Wendl an ein Grundsatzurteil des europäischen Menschrechtsgerichtshof (EGMR). "Der EGMR betonte ausdrücklich, dass es sich beim Recht eines Journalisten, seine Quellen nicht zu nennen, nicht um ein Privileg handelt, das man einfach wegnehmen könnte, wenn die Quelle bei der Weitergabe der Information unrechtmäßig gehandelt hat. Das Recht auf Quellenschutz ist Teil der Informationsfreiheit", so Wendl. Er fordert vom Gesetzgeber, die österreichischen Gesetze so zu sanieren, "dass der Justiz nicht immer wieder mit der Meinungsfreiheit unvereinbare Auslegungen ermöglicht werden".

Auch Kommunikationswissenschaftler Fritz Hausjell warnte vor den Folgen des Urteils für die Meinungsfreiheit: "Wenn das Schule macht, was da vonseiten des Gerichts entschieden worden ist, dann kann künftig eigentlich jeder Politiker im Schutz seiner Immunität Aussagen über Redakteure, die ihm unliebsam sind, tätigen. Und die Medien müssen dann wegen eines konstruierten Vorwurfs ihr Recherchematerial herausgeben."

"Damit zerstört man kritischen Journalismus", sagte Hausjell, der im konkreten Fall auch nicht nachvollziehen kann, warum die Anklagebehörde die Herausgabe des journalistischen Materials verlangt. Dies war unter anderem damit begründet worden, dass einer der beiden Burschen vor laufender Kamera und mindestens zehn Zeugen im Innenhof eines Wohnbaus seiner "Gesinnung Nachdruck verliehen" haben soll. Hausjell dazu: "Wenn es angeblich in dem Innenhof zehn Leute gab, die das gehört haben, sollen zehn Leute einvernommen werden, aber nicht der ORF gezwungen werden, die Bänder herauszugeben." (APA/red)