Angeklagter Faulmann erhielt die Zahlungsaufforderung inzwischen auch schriftlich.

Foto: privat

Wiener Neustadt/Wien - Wer in anhängigen Verfahren Gerichtsakten fertig kopiert haben möchte, muss der Justiz dafür einen Euro pro Seite bezahlen. So bestimmt es seit rund eineinhalb Jahren das Gerichtsgebührengesetz. Bei einem Großverfahren wie dem am Freitag genau 50 Verhandlungstage alten Tierschützerprozess in Wiener Neustadt, im Zuge dessen sich rund 200.000 Aktenseiten angesammelt haben, kann das Kopieren demnach teuer kommen.

Daher schritt Jürgen Faulmann, einer der 13 Angeklagten, zur Selbsthilfe. "Er hat sein Handy gezückt und die Aktenseiten abfotografiert" , schildert Verteidiger Stefan Traxler. 57 Mal habe Faulmann den Auslöser gedrückt, dann habe ihm eine Kanzleikraft das Mobiltelefon aus der Hand genommen - um den Verdutzten darauf aufmerksam zu machen, "dass Sie pro Foto 50 Cent zu bezahlen haben" .

"Eine solche Gebühr ist unbegründet" , meint der Anwalt, "immerhin hat Faulmann zum Ablichten sein eigenes Gerät verwendet." Auch Traxlers Berufskollege Rudolf Mayer teilt diese Ansicht: "Wo im Fall des Aktenabfotografierens durch Beschuldigte die Leistung des Gerichts besteht, ist mir logisch unzugänglich."

Im Justizministerium widerspricht man. Die Akten müssten ja von Kanzleikräften herausgesucht und herangetragen werden. Zudem werde nur die halbe Gebühr verlangt - gleich viel wie fürs Selberkopieren auf Kopierern des Gericht. Das wieder wundert Traxler: "Selberkopieren? Im Gericht Wiener Neustadt unmöglich." (Irene Brickner, DER STANDARD-Printausgabe, 25./26. 9. 2010)