Wie vor Gericht muss ein Gesichtsschleier auch vor universitären Prüfungen gelüftet werden. Das bekräftigt man an den heimischen Unis nach einem Vorfall in Graz – doch nur theoretisch, weil es keine weiteren Fälle gibt.
Wien/Graz/Innsbruck – Mit Gesichtsschleier studieren stößt in Österreich an rechtliche Grenzen. Konkret an die universitäre Prüfungsordnung, die vorsieht, dass sich Studierende vor einer Prüfung per Ausweis identifizieren müssen. "Es ist aus meiner Sicht absolut nachvollziehbar, dass bei Prüfungen eine Vollverschleierung nicht möglich ist", sagte am Mittwoch Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP).
Auf diese Rechtslage beruft man sich auch an den Medizinischen Universitäten (Med-Unis) Wien und Innsbruck. Dort beschäftigt man sich jedoch erst nach einem Bericht in der Kleinen Zeitung über den Konflikt um eine gesichtsverschleierte Medizinstudentin in Graz mit der Materie. Denn in der Praxis existieren bisher keine Erfahrungen, ebenso wenig wie an der Wiener Zentral-Uni: "Ich habe bei uns noch von keiner burkatragenden Studentin gehört", erläutert dort Studienpräses Brigitte Kopp.
An der Med-Uni Graz, wo sich eine muslimische Medizinstudentin in diesem Frühjahr weigerte, den Schleier abzulegen, wurde nun ein Rundbrief auf den Weg geschickt. Darin wird – neben Prüfungssituationen, worunter auch "Übungen und Seminare mit immanentem Prüfungscharakter" fallen – auch die "Lehre im klinischen Bereich mit Patientenkontakten" für schleierfrei erklärt. Für Nina Hoppe, Sprecherin der Med-Uni Wien, ist das nachvollziehbar, da "am Patientenbett auch mimisch interagiert werden muss". Doch, wie gesagt: "Wir waren mit einer solchen Situation bisher nie konfrontiert."
Das wundert die im Bundeskanzleramt angesiedelte Gleichbehandlungsanwältin Birgit Gutschlhofer keineswegs. In der Gleichbehandlungsanwaltschaft, die sich mit Beschwerden Betroffener wegen – unter anderem – religiöser Diskriminierung beschäftigt, ist bisher kein einziger Burkafall anhängig. Im Gegenteil dazu gebe es jedoch "viele Fälle kopftuchtragender Musliminnen, die sich bei mir beschweren, weil sie im Arbeitsleben benachteiligt wurden."
"Unter Musliminnen in Österreich ist Vollverschleierung anscheinend die rare Ausnahme", vermutet Gutschlhofer. Die Klage einer Schleierträgerin, so sagt sie, hätte"eine knifflige Abwägung zwischen Frauenrechten und dem Recht auf freie Religionsausübung" zur Folge. Die Sache würde wohl vor einem europäischen Gericht enden.
Mona S. zeigt ihr Gesicht
Im bisherigen österreichischen Burka-Paradefall wird diese Klärung indes nicht stattfinden. Mona S., die sich im Wiener Islamistenprozess weigerte, ihr Gesicht zu zeigen, und daher von der Verhandlung ausgeschlossen wurde, will ihre Causa nun doch nicht vor den Europäischen Menschenrechtgerichtshof bringen. "Sie hat sich entschlossen, den Schleier abzulegen, und will mit der Sache nichts mehr zu tun haben", sagt Anwalt Lennart Binder. (Irene Brickner/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.9.2010)