Wien - 400.000 Erkrankte, rund 1.600 Spitalsaufnahmen und - virologisch bestätigt - 40 Todesfälle forderte die "Schweinegrippe"-Pandemie im vergangenen Jahr. Was die saisonale Influenza - nun mit dem A(H1N1)-Virusstamm der Pandemie in den kommenden Monaten bewirkt, weiß derzeit noch niemand. Experten stellten bei einer Pressekonferenz in Wien eine Weltpremiere vor: den ersten saisonalen Influenza-Impfstoff aus Zellkulturen.
Impfstoff mit drei Virusstämmen
"Österreich ist das erste Land der Welt, in dem dieser Impfstoff zugelassen wurde. Er enthält alle drei für dieses Jahr empfohlenen Virusstämme und etabliert einen neuen Standard, was die Reinheit betrifft. Er enthält kein Hühnereiweiß, keine Antibiotika und kein Konservierungsmittel", sagte Hartmut Ehrlich, Vorstand der Baxter AG.
Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren eine Technologie entwickelt, bei der Viren in geschlossenen Zellkultur-Behältern durch Infektion sogenannter Verozellen gezüchtet, dann abgetötet und als Ganzvirus-Antigene für Vakzine verwendet werden können. Vergangenes Jahr produzierte das Unternehmen damit seinen A(H1N1)-Pandemieimpfstoff, der in Österreich verwendet wurde. Der Wiener Reisemediziner Herwig Kollaritsch: "Für das herkömmliche Herstellungsverfahren braucht man Hühnereier. Für 300 Mio. Dosen Impfstoff sind das 300 Mio. Hühnereier. Außerdem verwendet man dabei genetisch veränderte Viren, also ein artifizielles Produkt. Die Zeit bis zur Produktion eines neuen Influenza-Impfstoffes sinkt von 22 auf 12 Wochen."
Gute Verträglichkeit
Baxter lag offenbar auch vergangenes Jahr bei der Pandemie mit seinem Zellkultur-Impfstoff in diesem Bereich. Allerdings benötigten scheinbar die europäischen Zulassungsbehörden dann lange bis zur Freigabe, wodurch sich der zeitliche Vorsprung wieder reduzierte.
Der neue Impfstoff ist jedenfalls hoch wirksam und gut verträglich. Das ergab eine Studie mit rund 7.200 Probanden im vergangenen Jahr in den USA. Ehrlich: "Insgesamt traten 73 Influenza-Erkrankungen auf, 60 davon in der Placebo-Gruppe, der kein wirksamer Impfstoff verabreicht wurde. Insgesamt reduzierte der Impfstoff die Infektionsrate um 78,5 Prozent."
Impfung für Risikogruppen empfohlen
Der Chef des Impfausschusses des Obersten Sanitätsrates, Ingomar Mutz: "Die Influenza ist keine harmlose Erkrankung. Unsere Empfehlungen sind seit Jahren hervorragend. Alle Menschen über 50, Kinder im ersten Lebensjahr ab sechs Monaten, Betreuungspersonal der Neugeborenen, Schwangere und alle Altersgruppen mit chronischen Leiden sollten sich auf jeden Fall impfen lassen bzw. geimpft werden. Und dann gibt es den moralischen und sozialen Aspekt des Pflegepersonals und der Ärzte."
Freilich, mit einem Anteil der Impfungen von über 65-Jährigen bei 37 Prozent, bei unter 65-jährigen Risikopersonen von 24 und bei den Angehörigen der Gesundheitsberufe von gar nur 17 Prozent lag Österreich in den vergangenen Jahren in Europa an drittletzter Stelle. Der Wiener Sozialmediziner Michael Kunze: "So geht's nicht. Dass die Ärzte sich nicht gegen die Influenza impfen lassen und die Anderen (Patienten, Anm.) anstecken." (APA)