Kleinformatig, aber informativ: Argumente-Fibel gegen Stammtisch-Sprüche

Bild: WienXtra

"I bin haß, weil in jede freie Wohnung Kopftiachln eine kumman!", beschwerte sich Würstelstandler Karl (53) im derStandard.at/SpeakersCorner vor einiger Zeit, und ein Großteil der 354 Postings unter der Videoleiste fand es der Mühe wert, darüber zu diskutieren.

Nur: Wie diskutiert man über Meinungsäußerungen, die sich auf eine Behauptung stützen? Um Behauptungen zu widerlegen, fehlt es meist am nötigen Detailwissen. Einfach nur "Stimmt nicht" zu sagen, kratzt an der eigenen Glaubwürdigkeit. Zumal gerade in Stammtisch-Diskussionen meistens irgendjemand "jemanden kennt", dem schon eine Gemeindewohnung vor der Nase weggeschnappt wurde - und irgendwer kennt dann immer irgendwen, wo eine türkischstämmige Familie zum Zug kam.

Der Ärger danach

Es sei den sogenannten "Stammtischparolen" eigen, dass sie sich auf Behauptungen stützen und mit Einzelfällen hantieren, und damit die Umgebung, sofern sie nicht gleichgesinnt ist, ratlos zurücklassen. "Meistens dreschen zwei Leute in einer Gruppe Sprüche, vier hören zu, und einige lachen", beschreibt Marion Wisinger von der Liga für Menschenrechte eine typische Situation - wobei jene, die "zuhören", sich danach meistens ärgerten, nichts gesagt zu haben.

In eben solchen Situationen soll ein neues Handbuch helfen: "Da mach' ich nicht mit! - Argumente gegen rechte Sprüche" heißt die kleinformatige Broschüre, die für zwölf "Klassiker" unter den Stammtischparolen die passenden Antworten parat haben will.

"Viele Ausländer sind kriminell"

Beim Spruch "Viele Ausländer sind Kriminelle" heißt es hier: "Das ist eine Schuldzuweisung, die im Grunde die hier lebenden AusländerInnen zu Sündenböcken macht. Die Statistik sagt etwas anderes: Es stimmt zwar, dass viele TäterInnen aus dem Ausland einreisen, sie leben aber nicht in Österreich." Als Alternative wird eine Gegenfrage vorgeschlagen: "Ist dein türkischer Nachbar kriminell?" Zusätzlich bietet ein Info-Kasten Hintergrundwissen zu dem Thema.

Ähnliches gibt es für Slogans wie "Die Ausländer wollen sich nicht anpassen" oder "Der Islam möchte in Österreich an die Macht kommen". 

Nicht nur für Jugendliche

Zielgruppe der Broschüre sind Jugendliche, und dementsprechend anschaulich ist die Sprache des Folders gehalten. Das liegt aber wohl eher daran, dass als Herausgeberin die Wiener Jugendinfo fungiert - die Argumentationshilfen seien wohl für Erwachsene ebenso relevant, meint Wisinger, Autorin des Handbuchs.

Sie hoffe, auch jene Jugendlichen anzusprechen, die "solche Sprüche sagen oder nachsagen", erklärt Wisinger: "Vielleicht denken sie dann noch einmal drüber nach." Aber auch Betroffene oder ZeugInnen von Diskriminierung könnten sich hier Material für Konfrontationen besorgen.

"Stopp" sagen

Die große Stärke der Broschüre liegt wohl darin, dass sie in sehr kurzer Zeit brauchbare Werkzeuge vermittelt, um sich in Polemiken des Alltags weniger verloren zu fühlen. Dabei geht es nicht nur um passende Argumente, sondern auch darum, wie man hitzige Debatten abkühlt: Gegenfragen zu stellen, ruhig zu bleiben, manchmal einfach "Stopp" zu sagen oder vom Thema abzulenken - das alles könnten Strategien sein, um "Sprücheklopfern den Wind aus den Segeln zu nehmen", sagt Wisinger.

Das Handbuch Broschüre "Da mach' ich nicht mit!" ist in einer Auflage von 15.000 Stück beim Verein WienXtra erschienen und kann ebendort kostenlos angefordert werden. (mas, derStandard.at, 30.9.2010)