Wien - Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) hat den Strafaufschub für den ehemaligen Konsum-Chef Hermann Gerharter abgelehnt, den dieser aus gesundheitlichen Gründen beantragt hatte. "Der Gesundheitszustand ist nicht so, dass er den Vollzug hindern würde", teilte OLG-Sprecher Raimund Wurzer am Freitag mit. Ob Gerharter damit tatsächlich für ein halbes Jahr "einrücken" muss, ist allerdings unwahrscheinlich: Für den 71-Jährigen erscheint der elektronisch überwachte Hausarrest maßgeschneidert, sein Anwalt Manfred Ainedter wird daher die Fußfessel für seinen Mandanten beantragen.

Gerharter war im Rahmen des Bawag-Prozesses über die sogenannte Plastiksackerl-Affäre gestolpert: Er hatte im März 2003 vom ehemaligen Bawag-Generaldirektor Helmut Elsner rund 561.000 Euro zur Bestreitung offener Prozesskosten und Gerichtsgebühren erhalten. Beide machten sich damit nach Ansicht der Gerichte der Untreue zulasten der Bawag schuldig. Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigte im September 2009 Gerharters Schuldspruch, das OLG am 1. Dezember die dafür verhängte Strafe von zwei Jahren, davon sechs Monate unbedingt.

Seither kämpfte Gerharters Anwalt darum, dem angeblich Schwerkranken das Gefängnis zu ersparen: Ainedter argumentierte, der Ex-Konsum-Boss wäre infolge seiner Erkrankung den Haftbedingungen nicht gewachsen. Die Justiz ließ daraufhin ein psychologisches Gutachten einholen. Der Sachverständige konnte keine Vollzugsuntauglichkeit aus psychischen Gründen feststellen, sodass der Antrag auf Strafaufschub am 10. Juni 2010 vom Wiener Straflandesgericht abgewiesen wurde.

Fußfessel

Dagegen erhob Ainedter Beschwerde beim Wiener OLG. Dieses hielt ein weiteres medizinisches Gutachten - diesmal aus dem Fachgebiet der Allgemeinmedizin - für nötig, nachdem Gerharters Hausarzt auf das Leiden seines Patienten aufmerksam gemacht hatte. Die Expertise langte dieser Tage im Justizpalast ein, ein Drei-Richter-Senat kam nach Studium zum Schluss, dass bei Gerharter keine Vollzugsuntauglichkeit vorliegt.

"Sobald ich die Entscheidung des OLG am Schreibtisch habe, werde ich die Fußfessel beantragen", kündigte Gerharters Rechtsbeistand am Freitag im Gespräch mit der APA an. Für Ainedter besteht "kein Zweifel", dass der 71-Jährige den Hausarrest zugebilligt bekommt: Seit 1. September können sich rechtskräftig abgeurteilte Personen, die eine unbedingte Freiheitsstrafe von höchstens einem Jahr zu verbüßen haben, daheim überwachen lassen statt ins Gefängnis zu gehen. Gerharter dürfte sämtliche dafür erforderlichen Voraussetzungen erfüllen.

Ob der frühere Konsum-Boss tatsächlich die Fußfessel erhält, muss die zuständige Vollzugsanstalt entscheiden. Bei Gerharter ist das die Justizanstalt Wiener Neustadt. (APA)