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Die Beamten griffen hart durch: Laut Polizeiangaben wurden bei der Räumung rund 130 Personen verletzt - die Gegner des Bahnhofsprojektes sprachen von bis zu 400 Verletzten.

Foto: REUTERS/MICHAEL DALDER

Für Carola Eckstein ist die Sache auch nach der Eskalation in der Nacht von Donnerstag auf Freitag klar: "Wir werden weiterhin friedlich gegen dieses Projekt kämpfen und die Gewalt nicht mit Gegengewalt beantworten" , sagt die Sprecherin der Stuttgarter "Parkschützer" zum Standard. Viele ihrer Mitstreiter sind verletzt worden; sie berichtet von blutigen Lippen, gebrochenen Nasen und Augenreizungen. "Das war eine kriegsähnliche Situation" , meint Eckstein.

Rückblick zum Donnerstag: Es ist nicht die erste Demonstration, die an diesem Tag vor dem Stuttgarter Bahnhof und im angrenzenden Schlossgarten stattfindet. Seit Monaten gibt es massiven Widerstand gegen den Neubau des Bahnhofs. Der alte Kopfbahnhof soll gegen eine unterirdische Station ersetzt werden. Mit dem Neubau und einer neuen Bahnstrecke nach Ulm soll die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart in den nächsten Jahren an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz angeschlossen werden.

Am Nachmittag haben sich tausende Gegner zu einer Sitzblockade eingefunden. Sie wollen verhindern, dass uralte Bäume gefällt werden. Unter den Demonstranten sind viele Pensionisten, auch Mütter mit Kindern. Warum die Situation eskaliert - darüber gehen die Meinungen auseinander. "Von den Demonstranten ging Aggression aus. Sie warfen Flaschen auf Polizisten" , sagt Heribert Rech (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg. Ausdrücklich verteidigt er das Vorgehen der Polizei, die Wasserwerfer und Pfeffersprays einsetzte: "Wenn sich Mütter mit den Kindern der Polizei in den Weg stellen, dann müssen sie eben auch mit körperlicher Gewalt weggebracht werden." Replik von Grünen-Chef Cem Özdemir: "Mein Eindruck, Herr Rech empfiehlt sich gegenwärtig für einen Job bei Herrn Putin in Russland."

Keine Rücksichtnahme

Die Demonstranten klagen über ein brutales Vorgehen der Polizei. Diese habe nicht einmal vor schwächeren Personen haltgemacht. Um die Hintergründe aufzuklären, befasst sich nicht nur die CDU/FDP-Landesregierung mit dem Einsatz, sondern auch der Innenausschuss des Bundestages.

Kanzlerin Angela Merkel, die sich kürzlich deutlich für den Neubau aussprach, ist besorgt. Sie finde "solche Bilder betrüblich" , lässt sie durch ihren Sprecher ausrichten. Allerdings hätten die Demonstranten kein Recht, "den Vollzug einer demokratischen Entscheidung zu behindern" .

Die Baumfällungen haben die Demonstranten nicht verhindert. In der Nacht zum Freitag wurden 25 zum Teil 250 Jahre alte Bäume abgeholzt. "Schämt euch, schämt euch!" , wurde dabei skandiert. Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) rief am Freitag zur Besonnenheit auf und wünschte "allen Verletzten - ob Polizisten oder Demonstranten - rasche Genesung" . Eine neuerliche Protestversammlung am Abend blieb zunächst friedlich. (bau, DER STANDARD-Printausgabe, 2./3. 10. 2010)