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Dieses auf Amazon erhätliche T-Shirt meint es gut mit dem Verbraucher: Das Lesen der Gebrauchsanleitung ist wichtig und kann im Extremfall über Leben und Tod entscheiden.

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Die gesetzlichen Vorgaben gelten für industrielle Maschinenanlagen ebenso wie für Alltagsgeräte: Zum Lieferumfang gehört eine gedruckte Anleitung. Nicht nur angesichts des stetig wachsenden Funktionsumfanges der Geräte und Maschinen eine wichtige Bestimmung – nicht alle Geräte funktionieren selbsterklärend und störungsfrei.

Auch die Kunden erwarten nach wie vor ein Handbuch. Eine Umfrage des Marktforschungsinstitutes TEMA-Q unter Pkw-Besitzern ergab, dass sich über 80 Prozent eine gedruckte Bedienungsanleitung im Auto wünschen. Rund die Hälfte der Befragten gab an, die mitgelieferte Anleitung komplett oder teilweise gelesen zu haben.

Für Gregor Schäfer von der tekom, dem deutschen Fachverband für Technische Kommunikation und Informationsentwicklung, ist das Medium der Anleitung nicht entscheidend: „Vielmehr sollte sich ein Hersteller gut überlegen, wie er seinen Kunden richtig unterstützt.“ Neben der komplexen Funktionalität der Geräte steht für ihn die Sicherheit an erster Stelle: „Fehlende oder falsche Warnhinweise können lebensgefährlich sein“, sagt Schäfer.

Wiederverwendung von Inhalten kann Kosten senken

Die Welt der Betriebsanleitungen für Großanlagen ist noch fest in der Hand der gedruckten Anleitung. Die Dokumentation einer solchen Anlage füllt oft mehrere Ordner. Angesichts der Papierflut suchen die Hersteller allerdings nach Alternativen. Die CD gehört inzwischen zum Lieferumfang der meisten Anlagen. Eine interessante Ergänzung für diesen Bereich ist die Möglichkeit, 3-D-Konstruktionszeichnungen mit aller Funktionalität in PDF-Dateien zu übernehmen. Im Bereich der Haushaltsgeräte und Unterhaltungselektronik zwingt der Kostendruck zu Einsparungen.

Die Hersteller gehen zunehmend dazu über, statt der gesamten Bedienungsanleitung nur noch Informationen zu Montage, Inbetriebnahme und den wichtigsten Funktionen gedruckt auszuliefern. Alles andere kommt auf die beiliegende CD. Ob eine allzu reduzierte Form der gedruckten Dokumentation noch den rechtlichen Vorgaben entspricht, ist zumindest fraglich.

Auf der technischen Seite machen neue Softwaresysteme vielfältige Publikationen möglich und können gleichzeitig helfen, Kosten zu senken. Die Technischen Redakteure, die Anleitungs- und Hilfetexte erstellen, arbeiten verstärkt mit Content Management Systemen (CMS) auf XML-Basis. Anders als Webcontent-Systeme sind diese Redaktionssysteme auf Wiederverwendung, Übersetzungsmanagement und unterschiedliche Ausgabeschnittstellen ausgelegt. Aus einer Textquelle können Vorlagen für gedruckte Anleitungen ebenso erstellt werden wie Online-Hilfen oder Webseiteninhalte. „Das Unternehmen kann also Geld sparen, indem es den Ablauf von der Informationsentwicklung bis zur fertigen Übersetzung geschickt organisiert“, sagt Gregor Schäfer von der tekom, die in einer umfangreichen CMS-Studie die verschiedenen Systeme für die Technische Dokumentation vorstellt).

Anleitungen im Internet: Vorteile für den, der sie aufrufen kann Mit solchen Systemen wird es einfacher, Dateien für den Druck oder die Verbreitung auf CD oder im Internet zu produzieren. Besonders Letzteres ist gefragt; immer mehr Hersteller stellen Ihre Anleitungen ins Internet. Das hat einige Vorteile: Im Falle von Produktänderungen oder neuen Funktionen können diese Dokumente nach Auslieferung der Geräte aktualisiert werden, und digitale Anleitungen sind auch dann noch verfügbar, wenn das gedruckte Original mit dem Altpapier entsorgt wurde.

Allerdings ist die Hürde recht hoch: Ein Internetzugang ist die Voraussetzung, die aber viele – besonders ältere Menschen – nicht erfüllen. Selbst Kunden mit Internetzugang sind nicht immer und überall Online.

Seit Jahren im Geschäft: kompilierte Hilfedateien

Aus dem Softwarebereich sind die kompilierten Hilfedateien bekannt, die zunehmend auch in anderen Bereichen eingesetzt werden. Die eigenständigen Anwendungen können system- und browserübergreifend auch ohne Internetverbindung aufgerufen werden und so beispielsweise auf einer CD mitgeliefert werden.

Seit Kurzem ist Bewegung in die Hilfeformate gekommen. Microsoft hat einen neuen Help Viewer aufgesetzt, der die kompilierte HTML-Hilfe ersetzen soll, die seit 2001 nicht mehr weiterentwickelt wurde. Adobe drängt mit Adobe AIR ebenfalls in diesen Bereich. Die Anwendungen benötigen keinen Browser für die Darstellung. Flash, HTML – inklusive JavaScript – oder AJAX ermöglichen es, auch Multimediaobjekte einzubetten. Die Wiedergabe auf Smartphones ist möglich – allerdings verhindert derzeit die Flash-Problematik den Einzug auf das iPhone.

HTML selbst bietet in der Version 5 einige neue Möglichkeiten. Neben zusätzlichen Elementen für Video- und Audiowiedergabe sind Gestaltungsmöglichkeiten für Applikationen – besonders für mobile Endgeräte – hinzugekommen.

Vom Leser zum Teilnehmer

Auf Multimedia setzt auch eine ganz neue Form der Informationsvermittlung. Videoanleitungen oder Utility Filme erklären mit Bildern komplexe Vorgänge, bei denen der Text versagt. Während in einer Videoanleitung der Film kontinuierlich abläuft, besteht ein Utility Film aus einzelnen Filmclips entsprechend den Handlungsschritten. Der Anwender hat Zeit, den gezeigten Handlungsablauf durchzuführen. Danach startet er die nächste Sequenz. Der Utility Film ist der Einstieg in die Interaktivität. Muss der Anwender Entscheidungen treffen, können unterschiedliche Filme mit verschiedenen Handlungsanweisungen aufgerufen werden. Mit entsprechend programmierter Navigation ist es möglich, quer durch die Bedienungsanleitung zu surfen. Diese Anleitungen sind zwar etwas aufwendiger in der Erstellung, dafür eröffnen sich aber neue Möglichkeiten für Grafiken oder Animationen.

Hersteller und Kunden im Dialog

Wenn man den Weg der Interaktivität weitergeht, könnten Anleitungen zum Dialog sowohl zwischen Hersteller und Kunden als auch zwischen den Anwendern untereinander werden: zum Beispiel als Wikis oder Blogs oder in Anwenderforen auf Facebook. Durch den Kontakt der Anwender untereinander werden mögliche Funktionsschwächen zwar schneller offensichtlich, der Hersteller profitiert aber vom Feedback der Kunden. Aus der heutigen Einbahn-Kommunikation mittels Bedienungsanleitung kann ein Dialog zum beiderseitigen Nutzen werden.

Mit den mobilen Endgeräten lassen sich noch andere Informationsformen vorstellen. In der Zukunft könnte es so sein, dass man ein Gerät mit der Handykamera fotografiert, und auf dem Display erscheint die passende Anleitung – Augmented Reality macht es möglich.

Die gedruckte Anleitung wird so schnell nicht ganz verschwinden, aber neue Formate beginnen sich daneben zu etablieren. Vor allem in der Wiedergabe auf mobilen Endgeräten steckt noch einiges Potenzial und was auf Handydisplays funktioniert, läuft auch auf den Bediengeräten großer Anlagen. Dann könnten Multimediaanleitungen auch in diesem Bereich Einzug halten. (Markus Drenckhan, derStandard.at, 3.10.2010)