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Microsoft will die Rebellion der Android-Handys durch Patentklagen zurückdrängen.

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Der Start von Microsofts neuem Handy-Betriebssystem Windows Mobile 7 steht unmittelbar bevor. Am 11. Oktober wollen sich die Redmonder offiziell im Rennen um den Smartphone-Markt zurückmelden. Der Konzern kann nicht mehr überspielen, dass er von Apples iPhone und Googles Android überholt wurde und den Anschluss im vergangenen Jahr nicht mehr schaffte. "Wir haben eine Generation verpasst", gesteht CEO Steve Ballmer im Gespräch mit dem Wall Street Journal ein. Doch Windows Phone 7 alleine scheint für Microsoft nicht auszureichen. Gegen Android wird nun die Patentkeule geschwungen.

Konsequenzen für Ballmer

Die letzte Version von Windows Mobile wurde von den Herstellern kaum mehr übernommen. Die auf einer anderen Software basierenden Kin-Handys wurden bereits nach drei Monaten wieder vom Markt genommen. Das blieb auch für Ballmer nicht ohne Konsequenzen. Vergangene Woche wurde bekannt, dass die Vorstände Ballmer nur 50 Prozent des maximal möglichen Jahresbonus für 2010 ausbezahlen. Obwohl Microsofts Einnahmen auf einem Rekordniveau liegen, sind es der Smartphone- und auch der Tablet-Markt, die für die Investoren wichtigere große Rolle spielen.

Neuer Interface-Ansatz

Die Redmonder stehen unter hohem Druck, sich wieder stark am Smartphone-Markt zurückzumelden, bevor sie in diesem Bereich in die Bedeutungslosigkeit versinken. Mit Windows Phone 7 wähnt sich Ballmer nun siegessicher. Das Betriebssystem soll sich von der Konkurrenz hervortun, indem es Aktivitäten, Inhalte und Kontakte auf den Homescreen ins sogenannten "Life Tiles" ablegt. "Ich glaube die Icon-Wand wird ziemlich kompliziert für die Leute", meint Ballmer über die Oberflächen von iPhone und Android. Windows Phone 7 soll jene Dinge in den Vordergrund stellen, die den Nutzern am wichtigsten sind. Diesen Ansatz verfolgen auch einige Hersteller mit ihren eigenen Benutzeroberflächen für Android. Doch Windows Phone 7 soll nicht mit fremden Interfaces übertüncht werden.

Fehlende Features

Marktbeobachter zeigen sich skeptisch, ob dieser Ansatz ausreicht. Windows Phone 7 könne nicht einfach nur das bieten, was es bereits am Markt gibt, in neuer Verpackung. Damit werde Microsoft seine Marktanteile nicht zurückgewinnen können, meinen von Reuters befragte Analysten. Windows Phone 7 fehlt es zudem zum Start an Features, die iPhone und Android mittlerweile bieten. So müssen Nutzer zu Beginn beispielsweise auf echtes Multitasking, Flash-Unterstützung, Tethering sowie Copy-and-Paste verzichten.

Aggressivere Methoden

Microsofts jüngste Schritte zeigen, dass man offenbar nicht nur auf die eigene Innovationskraft verlassen will, um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen. Monatelang ließ das Unternehmen immer wieder verlautbaren, dass Android Patente verletzen könnte. Am vergangenen Freitag wurde nun bekannt, dass die Redmonder eine Patentklage gegen Motorola eingereicht haben, die sich gegen dessen Android-Handys richtet. Der US-Hersteller soll neun Microsoft-Patente verletzen, heißt es. Im Gespräch mit dem Wall Street Journal, das vor Bekanntwerden der Patentklage stattfand, meinte Ballmer noch, dass Android für Handy-Hersteller aufgrund von Lizenzzahlungen keineswegs kostenlos sei. HTC beispielsweise habe mit Microsoft eine Lizenzvereinbarung geschlossen.

Letzte Chance

Die ersten Windows Phone 7-Smartphones sollen in Europa im Oktober, in den USA im November von Herstellern wie HTC, LG und Samsung auf den Markt kommen. Ob Windows Phone 7 bei den Nutzern ankommt, hängt nicht zuletzt davon ab, wie stark die Hersteller und Provider hinter Microsoft stehen. Die Provider haben ihre Werbestrategien in den vergangen Monaten voll und ganz auf iPhone und Android eingeschossen. Inoffiziell zeigen sich die einige Hersteller durchaus skeptisch. Es sei Microsofts allerletzte Chance am Handy-Markt und wenn es nun nicht mehr klappe, könne man das System wohl nicht mehr lange mittragen, ist aus dem Umfeld eines langjährigen Microsoft-Partners zu vernehmen. (br/derStandard.at, 4. Oktober 2010) 

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