Wiesbaden - Der Bau des weltweit einmaligen Teilchenbeschleunigers FAIR wurde am Montag endgültig besiegelt. Neun teilnehmende Staaten - darunter Deutschland, Frankreich und Indien, Polen, Rumänien und Russland - unterzeichneten in Wiesbaden einen Vertrag über Bau und Betrieb des Forschungszentrums in Darmstadt. Mit Kosten von rund einer Milliarde Euro ist die Anlage eines der größten Forschungsprojekte in Deutschland.

Der 1,1 Kilometer lange kreisförmige Beschleuniger steht künftig auf dem Gelände des GSI-Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung. Durch FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research/Anlage für Antiprotonen- und Ionenforschung) wollen die Experten Neues über die Entstehung des Universums und zum inneren Aufbau der Materie erfahren. Während derzeit etwa 3.000 Wissenschafter in 40 Ländern die Anlage planen, soll der eigentliche Tiefbau im Herbst 2011 beginnen.

Das Projekt kostet im Vollausbau 1,2 Milliarden Euro. Deutschland stellt drei Viertel des Geldes bereit. Größter Projektpartner in Russland, das in Geld, Forschungs- und Sachleistungen 178 Millionen Euro beisteuert. Einige der drei Tonnen schweren Magnete des Beschleunigers sollen in russischen Labors entwickelt und gebaut werden, sagte GSI-Sprecher Ingo Peter.

FAIR sei wie ein kleinerer Bruder des 27 Kilometer langen Teilchenbeschleunigers CERN bei Genf, erläuterte Peter. Bei CERN  erreichen die beschleunigten Teilchen höhere Geschwindigkeiten und im Aufprall höhere Temperaturen. "In Genf kommen wir dem Urknall schon sehr nahe."

"Im Universum steckt noch viel unbekanntes Zeug"

FAIR solle dagegen erforschen, was in der tausendstel Sekunde nach dem Urknall und seitdem geschah, sagte Peter. "Unser Ziel ist nicht höhere Geschwindigkeit. Wir wollen schwerere Teilchen und mehr davon aufeinanderprallen lassen." Davon erhofften sich die Forscher Aufschlüsse über verschiedene Arten von Materie: "Im Universum steckt noch viel unbekanntes Zeug."

FAIR wird Antiprotonen- und Ionenstrahlen mit bisher unerreichter Intensität und Qualität liefern. Im Endausbau besteht FAIR aus acht Kreisbeschleunigern mit bis zu 1.100 Metern Umfang, zwei Linearbeschleunigern und rund 3,5 Kilometern Strahlführungsrohren. Die bereits existierenden GSI-Beschleuniger werden als Vorbeschleuniger dienen. Das Forschungszentrum Jülich übernimmt den Bau eines Beschleunigerrings, des so genannten Speicherrings HESR, für die Forschung mit hochenergetischen Antiprotonen.

An FAIR wird eine nie dagewesene Vielfalt an Experimenten möglich sein, durch die Wissenschaftler aus aller Welt neue Einblicke in den Aufbau der Materie und die Entwicklung des Universums seit dem Urknall erwarten. So wird es an FAIR möglich sein, Antimaterie zu erforschen. Die Forscher wollen dem Rätsel nachgehen, warum Antimaterie im Universum bis auf winzige Reste kaum vorkommt und warum die uns bekannte Materie, aus der wir bestehen und die uns umgibt, "bevorzugt" ist.

Suche nach neuen Materieformen

An FAIR werden Forscher auch nach neuen Formen von Materie suchen, um auf diese Weise der rätselhaften dunklen Materie auf die Spur zu kommen. Denn obwohl dunkle Materie einen weitaus größeren Anteil im Universum ausmacht als die uns bekannte Materie, konnte sie noch nicht direkt beobachtet werden. An der geplanten Anlage wollen Forscher außerdem untersuchen, wie Sterne explodieren und welche Prozesse dabei ablaufen.

Ionenstrahlen, die natürlicherweise in der kosmischen Strahlung vorkommen, lassen sich an FAIR erzeugen. Dies ermöglicht Wissenschaftlern, die Wirkung der Ionenstrahlen auf Materialien und Gewebeproben zu studieren. Sie möchten somit Komponenten für die Satellitentechnik testen und strahlenbiologische Untersuchungen für bemannte Raummissionen oder neue Anwendungen in der Medizin durchführen.

Weitere Partnerländer bei FAIR sind Finnland, Schweden und Slowenien. Spanien unterzeichnete den Vertrag am Montag nicht, wird aber bald als zehntes Land beitreten, sagte Peter. Auch Großbritannien, China und Saudi-Arabien planen Beiträge. "Hessen hat sich als Standortland bereiterklärt, 94 Millionen Euro in den Bau von FAIR zu investieren", sagte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) bei der Unterzeichnung. (red/APA/dpa)