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Laureaten auf der Parkbank: Andre Geim (links) und Konstantin Nowoselow stellten mittels Klebebands Graphen her. Einzigartige Eigenschaften machen die Schicht aus Kohlenstoff zur Hoffnungsträgerin (unten).

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Einmal dauert es zu lange, dann wieder geht es sehr schnell. Musste der 85-jährige Robert Edwards über drei Jahrzehnte lang warten, ehe ihm am Montag endlich der Medizin-Nobelpreis für die Erfindung der In-vitro-Fertilisation zugesprochen wurde, kamen die diesjährigen Physik-Nobelpreisträger ziemlich flott an die Reihe.

Den zwei aus Russland stammenden und an der Universität Manchester tätigen Physiker Andre Geim (51) und Konstantin Nowoselow (gerade einmal 36) gelang nämlich erst 2004 der entscheidende Durchbruch. Nur sechs Jahre später folgte dafür der wichtigste Preis, den die Wissenschaft zu vergeben hat.

Das Wundermaterial, das den beiden zudem je rund 500.000 Euro eintrug, nennt sich Graphen (mit Betonung auf dem e) und ist eigentlich ein alter Bekannter der Materialforschung: Graphit, der Hauptbestandteil von Bleistiftminen, besteht aus Graphenschichten, die sich beim Schreiben in unterschiedlich dicken Stapeln am Papier ablagern.

Trennung mittels Tixo

Das Besondere an Graphen ist, das es aus einer einzigen Lage von Kohlenstoffatomen besteht, die in einer sechseckigen Struktur regelmäßig angeordnet sind. Zum Vergleich: Ein Millimeter gewöhnliches Graphit enthält drei Millionen Schichten. Geim und Nowoselow gelang 2004 die Herstellung dieses wundersamen zweidimensionalen Materials - und zwar mit einem denkbar einfachen Hilfsmittel: Sie trennten dünne Graphit-Schichten mittels Tixo so lange, bis wirklich nur noch eine Atomlage übrig blieb.

Diese eine Schicht aber hat es in sich - auch wenn noch einige Fragen zu klären sind, wie auch der frisch gebackene Nobelpreisträger Geim per Telefonschaltung gestand: "Wir wissen noch nicht, wofür Graphen wirklich anwendbar ist. Aber ich hoffe, dass es einmal genauso unser Leben verändern kann wie Plastik."

Der österreichische Graphen-Experte Thomas Müller vom Institut für Photonik der TU Wien wird hinsichtlich der Eigenschaften des Wundermaterial etwas konkreter: Hielte man zum Beispiel eine Schicht Graphen wie ein Blatt Papier in den Händen, würde es sich nicht durchbiegen oder abknicken, sondern wie ein Brett über viele Meter stabil bleiben, so Müller, der kürzlich eine neue Anwendung des Wundermaterials im Wissenschaftsmagazin Nature beschrieb.

Viel leitfähiger als Silizium

Andere wundersame Eigenschaften des Materials hatten schon bald nach ihrer Beschreibung durch Geim und Nowoselow die Elektronikindustrie aufhorchen lassen. So weisen die Elektronen in Graphen eine 200 Mal höhere Beweglichkeit auf als in Silizium, wie Müller erklärt. Mit anderen Worten: Die Schichten leiten elektrischen Strom extrem rasch und mit wenig Widerstand.

Erste Anwendungen von Graphen als Basis für Halbleiter gebe es bereits - allerdings bis jetzt nur den Forschungslabors. Dazu kommen seine optischen Eigenschaften: "Samsung arbeitet zum Beispiel an LCD-Fernsehern auf Graphen-Basis", so Müller.

Patriotische Freude über den Nobelpreis herrscht übrigens auch im Geburtsland der Laureaten. So meinte Gennadi Mesjaz, Vizepräsident der Russischen Akademie der Wissenschaften: "Ich bin entzückt. Das russische Genie kann sich auch in Manchester durchsetzen." (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 06.10.2010)