Ein Gespenst geht um in Europa. Das irische Gespenst. Als Dublin im Jänner 2009 die Anglo Irish Bank über Nacht verstaatlichte, schien das Schlimmste überwunden zu sein. Die Bank bekam 1,5 Milliarden Euro, der irische Premier Brian Cowen freute sich über diesen "wichtigen Beitrag" zur Stabilisierung der Wirtschaft.
Doch schon im Mai brauchte die Bank neues Geld und mit jedem tieferen Blick in die Bilanzen wurden weitere Geldspritzen notwendig. 21 Monate später steht fest, dass die Anglo Irish Bank zu einem Fass ohne Boden geworden ist. Die Hilfen sollen auf 50 Milliarden Euro ansteigen.
Immer neue Probleme bei Geldhäusern, die zu weiteren Staatsinterventionen führen:Vor diesem nicht sehr wahrscheinlichen, aber angesichts zunehmender Spannungen im Bankensektor wieder möglichen Szenario, warnte der Internationale Währungsfonds (IWF) am Dienstag.
Denn die Erholung in der Finanz- und Bankenwelt hat im vergangenen halben Jahr laut IWFeinen Rückschlag erlitten. Kreditinstitute in den USA, England und insbesondere in Kontinentaleuropa zahlen höhere Risikozinsen für Kapital als noch im April. Die Gründe für die Unsicherheit:
- Die Schuldenkrise in der Eurozone hat in Form einer Vertrauenskrise auf den Bankensektor übergegriffen, schreiben die IWF-Experten. Kleinere wirtschaftliche Schocks könnten das gesamte System aus dem Ruder bringen.
- Zu den Risiken zählen auch nicht realisierte Abschreibungen. In den Bankbilanzen schlummern nach Schätzung der Washingtoner Ökonomen Verluste in Höhe von 550 Milliarden Dollar. Das Problem trifft zwar alle Kontinente, die meisten giftigen Papiere liegen aber nach wie vor in Europa.
- Wenig Vertrauen, höhere Zinsen: All das wäre noch kein großes Problem, würden die Banken nicht vor einem gigantisches Refinanzierungsbedarf stehen. Der IWFhat errechnet, dass die Kreditinstitute sich in den kommenden zwei Jahren vier Billionen Dollar über den Markt ausborgen müssen. Diese Refinanzierung könnte angesichts des schwierigen Umfelds und auslaufender Bankenhilfen "für einige Banken zur Herausforderung werden" , warnt der IWF. Weil sich Kreditinstitute in den USAstärker über Aktienmärkte refinanzieren, ist der Druck in Europa am größten. Der IWF ist mit seinen Warnungen nicht allein. Diese Woche publizierten britische Ökonomen einen viel beachteten Bericht über einen möglichen Kapitalengpass bei englischen Banken und die Ratingagentur Moody's ließ mit ähnlichen Warnungen aufhorchen.
Keiner glaubt dem Test
Im Gegensatz dazu glaubt der Genfer Ökonom Charles Wyplosz nicht an einen generellen Finanzierungsengpass. "Geld ist genug da" , sagt er. Aber: Die noch nicht anerkannten Verluste in den Bilanzen könnten Banken unter Druck bringen. "Wenn die Probleme dieser Zombie-Banken ans Tageslicht gelangen, ist die Gefahr groß, dass sie Schwierigkeiten bei der Refinanzierung bekommen." In einigenFällen müsste dann wieder der Staat einspringen.
Der IWFselbst fordert nur, dass der Ausstieg aus existierenden Hilfsprogrammen so lange aufgeschoben wird, bis sich die Märkte stabilisiert haben. Probleme im Finanzsystem seien die "Achillesferse des Aufschwungs" .
Auch Irland bekam das am Dienstag zu spüren. Wegen seiner Probleme im Bankensektor drohte die Ratingagentur Moody's Dublin mit einer weiteren Bonitätsherabstufung. (András Szigetvari, DER STANDARD, Printausgabe, 6.10.2010)