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Während man in anderen Ländern auf Internetbestellung zurückgreifen muss, gibt es Mephedron in Rumänien ganz legal in Geschäften zu kaufen.

Foto: EPA/ANDY RAIN

Iulian steht der Schaum vorm Mund. Sein Körper wird von Krämpfen geschüttelt. Er liegt bäuchlings am Boden, in seinem eigenen Erbrochenen. Die weit aufgerissenen Augen bestehen fast nur noch aus Pupille, suchen hektisch in der Leere des Raumes. 

Auf dem Glastisch neben ihm liegt eine Spritze, noch halbvoll mit seinem Blut. Daneben ein angerusster Löffel, mit Schlieren einer bittersüßen Flüssigkeit: Mephedron (MMC), „Magic" oder „Special Gold"...der Stoff, aus dem die Träume sind.

Wenn die Rettung nicht bald kommt, dann hat es sich für Iulian ausgeträumt. Eineinhalb Gramm des Amphetamins hat er sich innerhalb der letzten halben Stunde gespritzt. Die Droge macht gierig.

Billiger Rausch

Fast täglich flimmern in den rumänischen Nachrichten Berichte über Überdosierungen über den Bildschirm. „Magic" hat die Jugend des Landes verzaubert. Es ist legal und es ist billig: Rund 50 Lei, etwa 12 Euro kostet ein halbes Gramm des weißen Pulvers. Die Headshops, die in ganz Rumänien wie Schwammerl aus dem Boden schießen, haben rund um die Uhr geöffnet. Etwa 300 gibt es derzeit landesweit. Über Mangel an Kundschaft können sie nicht klagen. Im Gegenteil: Etwa acht jugendliche Kunden zählt der frequentierteste Headshop in der Bukarester Innenstadt in zehn Minuten. 

Forbes Romania bezifferte den Gesamtgewinn der Läden, die mit „ethnobotanischen" Produkten handeln, im vergangenen Jahr auf rund 30 Millionen Euro. Einige Geschäftsinhaber gaben ihren Monatsgewinn mit 10.000 Euro an. Und das in einem Land, in dem das monatliche Durchschnittseinkommen bei rund 400 Euro liegt.

Legale Sucht

Bis vor kurzen betäubte sich die rumänische Jugend vorwiegend mit den Dämpfen von Aurolac, einem Lackverdünner. Nun ist „Magic" die Droge der ersten Wahl. 2008 zum ersten Mal in Israel von der Firma Neorganics produziert, verbreitete sie sich schnell in Europa. Verkauft wird sie in kleinen weißen Plastiksäckchen, auf denen mit roter, schnörkeliger Schrift „Pure by Magic" gedruckt ist. Weiters ist darauf zur lesen, dass das Pulver nicht zur Einnahme gedacht, sondern Pflanzendünger sei. „Special Gold" wird offiziell als Badesalz gehandelt.

Im März 2008 wurde Mephedron von mehreren nationalen Behörden an die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) gemeldet. Dänemark reagierte am schnellsten auf die neue Substanz und verbot sie bereits im Dezember 2008. In Österreich unterliegt MMC seit August dem Suchtmittelgesetz. In Rumänien hingegen boomt das Geschäft mit der legalen Droge und die Verkäufer dürfen sich ganz offiziell an der Sucht ihrer Kunden eine goldene Nase verdienen. 

Wie viele mittlerweile abhängig sind, weiß hierzulande niemand. Dafür sieht man allabendlich im Fernsehen, wie Jugendliche mit Vergiftungen in die rumänischen Intensivstationen eingeliefert werden.

Spritzentausch

Alex hat gerade sein letztes Hemd für ein halbes Gramm gegeben. Wortwörtlich: Mangels Bargeld hat er seine Nike-Jacke gegen ein Säckchen eingetauscht. Sein Freund Adi hat im Headshop aufschreiben lassen und Florin hat seinen Ipod für einen Schuss gegeben.

Zu dritt sitzen sie zähneklappernd unter einer Brücke an der Dâmboviţa in der Bukarester Innenstadt. Alex befeuchtet das Säckchen mit dem Pulver mit dem schlammigen Flusswasser, klopft die nassen Brösel in die zylinderförmige Plastikkappe seiner Spritze, heizt das Plastik mit dem Feuerzeug an, zieht die aufgekochte Brühe durch einen Zigarettenfilter auf und sucht im matten Licht einer Straßenlaterne nach einer Vene. 17 Mal sticht er in seine Unterarme, zieht aber immer nur Luftblasen anstatt Blut auf. Seine Hände zittern. Die Kanüle ist eigentlich für das Verabreichen von Insulin gedacht, die Nadel kurz, dünn und gerade stark genug, um unter die Haut zu gehen, für eine intravenöse Injektion allerdings völlig ungeeignet. 

Letztendlich trifft Alex und reicht die Nadel an Adi weiter. Gemeinsames benutzen von Spritzen ist hier Alltag. Streetworker und Spritzentauschprogramme sucht man in Rumänien vergebens.

Späte Rettung

Iulians Atem stockt. Seine Augen verdrehen sich Richtung Plafond. „Wasser....Wasser", flüstert er leise. Seine beiden Freunde stehen hilflos daneben: Was bei einer Überdosis „Magic" zu tun ist, weiß keiner von ihnen. Nur dass sie tödlich sein kann. Während Marius zum dritten Mal beim Rettungsnotruf anruft, macht sich Bogdan daran, die Reste, die in Iulians Löffel zurückgeblieben sind, mit etwas Wasser aufzukochen.

Als nach über einer Stunde endlich die Rettung eintrifft, sind Iulians Lippen weiß, seine Augen schon seit einiger Zeit geschlossen. Das Knirschen seiner Zähne ist das einzige, was noch von ihm zu hören ist. (Birgit Wittstock, derStandard.at, 7.10.2010)