Bild nicht mehr verfügbar.

Chinesische Polizeikräfte blockieren den Eingang zum Wohnkomplex, in dem Liu Xiaobos Frau lebt.

Foto: PETAR KUJUNDZIC/REUTERS

In China gehen die Wogen hoch. Die chinesische Regierung reagiert empört auf die Verleihung des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo. Mit der Auszeichnung für den "Kriminellen" verstoße das Nobelpreiskomitee gegen seine eigenen Prinzipien, erklärte die Staatsführung in Peking. Die Regierung sieht ihr Verhältnis zu Norwegen aufgrund der „unerhörten" Entscheidung des Nobelpreis-Komitees als belastet. Auch viele Medien ignorieren die Prämierung ihres Landsmannes.

Behörden blockieren Kontakt zu Ehefrau

Augenzeugen berichten, dass chinesische Polizisten Journalisten den Zugang zum Wohngebäude von Liu Xiaobo verwehrten. Auch die Juroren könnten laut des Chefs des Nobelkomitees, Thorbjörn Jagland, keinen Kontakt zur Frau des inhaftierten Preisträgers aufnehmen. Liu Xia erfuhr über die Behörden von der Auszeichnung ihres Mannes. Dennoch freute sie sich über die Nachricht. „Ich bin glücklich, aber ich kann nicht herauskommen", erklärt sie am Telefon.

In einer Erklärung der Menschenrechtsorganisation Freedom Now forderte sie die Freilassung ihres Mannes. Sie hoffe, dass sich auch die internationale Gemeinschaft für seine Entlassung aus der Haft einsetze. Sie verwies auf die Begründung des Nobel-Komitees, nach der China wegen seiner neuen Stellung in der Welt eine größere Verantwortung trägt. "China sollte sich dieser Verantwortung stellen, auf seine Wahl stolz sein und ihn aus dem Gefängnis entlassen", erklärte Liu Xia.

Spindelegger: Preis gehört allen politischen Gefangenen

Anders als in Liu Xiaobos Heimat sind die Reaktionen auf den neuen Nobelpreisträger in Deutschland und Österreich durchwegs positiv. Außenminister Michael Spindelegger begrüßt die Entscheidung der Juroren. Er hofft, „dass eines Tages Menschen wie Liu Xiaobo auch in ihrer Heimat jene Anerkennung erfahren werden, die ihnen zusteht". Spindelegger sieht die Prämierung in einem größeren Zusammenhang. „Dieser Friedensnobelpreis gehört allen politischen Gefangenen in China und weltweit", sagt Spindelegger, der gerade auf Türkei-Reise ist. Auch EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso gratulierte dem Dissidenten.

PEN: Verleihung als ermutigendes Signal

Der Präsident der Schriftstellervereinigung PEN Johano Strasser sieht in Lius Auszeichnung ein wichtiges Signal für andere verfolgte Autoren in China. "Die Botschaft heißt, er ist nicht vergessen", freut sich Strasser. Er ist allerdings skeptisch, was einen baldigen Kurswechsel in Peking betrifft. Die chinesische Führung müsse erst erkennen, „dass sie die internationalen Forderungen nach Meinungsfreiheit mit ökonomischem Druck nicht so beeinflussen werden kann, wie sie glaubt", sagt Strasser. Der PEN wird nach eigenen Angaben den Hermann-Kesten-Preis 2010 im kommenden November an Liu Xiabo verleihen und würdigt damit seine Verdienste um die Freiheit der Kunst und um die Menschenrechte.

Deutsche Regierung will Liu frei sehen

Er solle den Preis selber in Empfang nehmen können, wünscht sich Regierungssprecher Steffen Seibert. Er nennt den Menschenrechtler einen „mutigen Mann" und zeigt sich beeindruckt über dessen Friedfertigkeit. „Xiaobo fordert, den Hass abzulegen. Und wenn man liest, wie respektvoll er sich über seinen eigenen Zellenwärter äußert, dann muss einen auch das beeindrucken", sagt Seibert.

Dalai Lama: "Lasst Gefangene frei!"

Der Dalai Lama hat China gebeten, den am Freitag mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Dissidenten Liu Xiaobo aus der Haft zu entlassen. Das Oberhaupt der Tibeter im Exil sagte in einer in Neu Delhi veröffentlichten Erklärung weiter, der Friedensnobelpreis sei eine Anerkennung der internationalen Gemeinschaft für die lauter werdenden Stimmen in China, die Reformen forderten. Der im indischen Exil lebende Dalai Lama - der 1989 den Friedensnobelpreis erhalten hat - appellierte an die chinesische Regierung, neben Liu auch andere freizulassen, "die wegen der Ausübung ihres Rechts auf Meinungsfreiheit inhaftiert sind".

UNO begrüßt Auszeichnung

Die UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay hat die Vergabe des Friedensnobelpreises an den chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo begrüßt. Mit der Auszeichnung werde ein "wichtiger Verteidiger der Menschenrechte" anerkannt, erklärte Pillay am Freitag in Genf. "Wir begrüßen die Anerkennung der sehr wichtigen Rolle, welche die Verteidiger der Menschenrechte in China und zahlreichen anderen Ländern spielen", erklärte sie. Pillay würdigte den "Mut" von Liu und anderen Verteidigern der Menschenrechte, die für ihre Überzeugungen die Stimme erheben. Menschenrechtler wie Liu könnten einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung Chinas beitragen.

Wulff sagte Unterstützung zu

Der deutsche Bundespräsident Christian Wulff hat Liu Xiaobo die Unterstützung Deutschlands zugesagt. Das Staatsoberhaupt gratulierte dem Dissidenten am Freitag zu der Auszeichnung durch das norwegische Nobelkomitee. "Ihr Mut, sich für die Menschenrechte in Ihrem Land friedlich einzusetzen, hat meinen größten Respekt", hieß es im Glückwunschschreiben.

Wulff bescheinigte China, es habe seit der Öffnung nicht nur wirtschaftlich große Fortschritte gemacht. Die chinesische Verfassung sei geändert worden, um Menschenrechte aufzunehmen. "Die Regierung betont, wie wichtig es ist, dass sich China zu mehr Rechtsstaatlichkeit und Demokratie entwickelt."

Wulff unterstrich, Liu habe sich friedlich an der Diskussion um die demokratische Zukunft Chinas beteiligt. Seine Verurteilung zu elf Jahren Haft habe in vielen Teilen der Welt Bestürzung ausgelöst. "Deutschland hat sich gemeinsam mit seinen Partnern in der Europäischen Union für Sie eingesetzt. Wir werden dies auch weiterhin tun", versicherte der deutsche Bundespräsident.

Schweiz zurückhaltend

Das Schweizer Außenministerium hat sich zurückhaltend zur Vergabe des heurigen Friedensnobelpreises an den chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo geäußert. In einer Stellungnahme vom Freitag wird Liu nicht direkt gratuliert. Die Forderung nach einer Freilassung des Bürgerrechtlers wird nicht gestellt. Der Friedensnobelpreis sei an einen "Verteidiger der Menschenrechte" vergeben worden, der seit Dezember 2008 in Haft sei, schreibt das Außenministerium in der kurzen Stellungnahme. Seit diesem Zeitpunkt habe sich die Schweiz wiederholt für Liu Xiaobo eingesetzt. Die Schweiz führe mit China regelmäßig den Dialog über Menschenrechte.

(sda/Reuters/APA//dan/flog)