Bild nicht mehr verfügbar.

Einen Dauerfeldzug ortet Speck, um das Weltwährungssystem zu stützen.

Foto: Reuters

Wien - Westliche Zentralbanken und eine Hand voll privater Institute setzen seit fast 20 Jahren den Goldpreis unter Druck, um das auf dem US-Dollar fußende Weltwährungssystem zu stützen, behauptet der Münchener Finanzexperte Dimitri Speck. Der permanente Feldzug sei lange geführt worden, um Inflationserwartungen und langfristige Zinsen niedrig zu halten. Heute gehe es um die Stabilität des gesamten Systems, denn ein abrupter Goldpreisanstieg könne eine galoppierende Inflation auslösen.

Früher sei echtes Gold auf den Markt geworfen worden, heute fänden die Eingriffe an den Terminmärkten statt, erläuterte Speck vergangene Woche in einem Interview mit der APA: "Wenn ich auf einen Schlag 10.000 Kontrakte auf den Markt werfe, löst das eine Schockwelle aus, die kreditfinanzierte Long-Spekulanten zum Verkaufen zwingt." Später, "wenn der Preis gefallen ist, kann man sich wieder billig eindecken." Das sei ein Muster, das nur bei Spekulanten und mit Nicht-Verbrauchsgütern funktioniere: "Bei Öl würde so etwas nach hinten losgehen."

Speck, ein gelernter Techniker, glaubt aus den Kursverläufen der vergangenen 20 Jahre verblüffend präzise Schlüsse ziehen zu können - etwa, dass die erste "moderne" Intervention exakt am 5. August 1993 stattgefunden hat. Short-Attacken könnten rund um die Uhr stattfinden, die stärksten und verlässlichsten Interventionen gebe es aber unmittelbar vor dem Londoner Gold Fixing bzw. vor der Eröffnung der US-Rohstoffbörse.

Rare Preisrückgänge

Nach der Speck-Zählung haben sich 2008 die bis dahin eher raren schockartigen Preisrückgänge (2 Prozent binnen 20 Minuten) vervielfacht - u.a. mit dem paradoxen Effekt, dass der Goldpreis kurz nach der Lehman-Pleite fast 100 Dollar absackte. Das Preismanagement habe die Notenbanken seit den Neunzigern 12.000 Tonnen physisches Gold gekostet. Durchgeführt würden die Eingriffe durch die sogenannten Bullion-Banken, die im Auftrag bzw. im Zusammenspiel mit (wenigstens) der US-Notenbank handelten.

In einem im Frühjahr veröffentlichten Buch analysiert Speck die Geschichte der Beziehungen zwischen den Zentralbanken und den "Bullion Banks", an die Teile der Zentralbank-Goldbestände zu minimalen Zinsen verliehen worden sind. Im Unterschied zu früher könne es heute nicht mehr um das Absenken, "sondern längerfristig nur mehr um ein Eindämmen der Preissteigerung gehen".

Für die Zukunft sieht Speck zwei mögliche Szenarien: ein inflationäres Szenario "als Folge einer höheren Umlaufgeschwindigkeit und einer Flucht in die Sachwerte", wie er in dem Interview sagte. Die zweite Variante, ein deflationäres "Japan-Szenario" mit jahrelanger Deflation/Stagnation hält er für etwas weniger wahrscheinlich.

Speck ist Experte für quantitative Handelsstrategien der Staedel-Hanseatic-Gruppe, die vor allem Aktienfonds berät. Er hat vergangene Woche an einem in Wien stattfindenden Kongress teilgenommen. (APA)