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Besucher des Nobel-Friedenszentrums in Oslo vor den Bildern der Preisträger, vorn jenes des Chinesen Liu Xiabao.

Foto: EPA/Johannessen

"Sie werden es ihn vermutlich spüren lassen." Mit "sie" sind die Chinesen gemeint, mit "ihn" Thorbjörn Jagland, Generalsekretär des Europarats und zugleich Leiter des Komitees zur Vergabe des Friedensnobelpreises. Der dies prophezeit, weiß, wovon er spricht: Walter Schwimmer hat als Europarats-Generalsekretär von 1999 bis 2004 einige Erfahrung darin gesammelt, wie das offizielle China reagiert, wenn es sich in Menschenrechtsfragen an den Pranger gestellt glaubt.

Peking werde nicht zwischen den beiden Funktionen unterscheiden, die der norwegische Sozialdemokrat Jagland heute ausübe, vermutet Schwimmer im Standard-Gespräch. Das könnte bedeuten, dass China seine Beziehungen zum Europarat einfriert.

Dabei ging die Initiative dazu von den Chinesen selbst aus. Sie reichen in die Zeit vor dem Amtsantritt Schwimmers als Generalsekretär zurück. Bis heute schickt Peking immer wieder Praktikanten für ein halbes Jahr zum Europarat nach Straßburg - in das Menschenrechtsbüro.

Trotz des schwierigen Umgangs mit China in Menschenrechtsfragen hält Schwimmer Signale wie den Friedensnobelpreis für den Menschenrechtler Liu Xiaobo für notwendig. Die Auswirkungen auf die chinesische Menschenrechtspolitik werde man erst nach einiger Zeit erkennen. Auch in der Vergangenheit habe Peking in vergleichbaren Fällen ähnlich scharf reagiert, inzwischen gebe es aber doch gewisse, wenn auch kleine Fortschritte, etwa den Verzicht auf öffentliche Hinrichtungen.

Heikler Dialog der Kulturen

Der Umgang des Westens mit dem Reich der Mitte ist Beispiel für die oft heikle Kommunikation zwischen den Kulturen. Eben diesem "dialogue of civilizations" hat sich das World Public Forum verschrieben, dessen internationales Organisationskomitee Schwimmer vom Wiener Hauptquartier aus leitet. Schon im Europarat forcierte der ehemalige ÖVP-Politiker den interkulturellen Dialog, und dies brachte ihn mit Wladimir Jakunin zusammen.

Jakunin war in den letzten Jahren der Sowjetunion als Diplomat (und KGB-Agent) bei der Uno in New York tätig. Unter dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, zu dessen Vertrauten er zählt, begann sein Aufstieg. 2002, damals Vizeminister für Kommunikation, gründete Jakunin gemeinsam mit dem indischen Ex-Industriellen und Philantropen Jagdish Kapur und dem griechisch-amerikanischen Geschäftsmann Nicholas Papanicolaou das World Public Forum. Inzwischen ist Jakunin Chef der Russischen Eisenbahnen, eines Schlüsselunternehmens im Riesenreich.

Den Dialog der Zivilisationen zu fördern und damit Konflikte zu verhindern oder zumindest zu entschärfen, ist das offizielle Ziel des World Public Forum. Im Westen das Verständnis für Russland zu verbessern und Moskaus Mantra von einer multipolaren Welt kulturell zu unterlegen, das inoffizielle. Die Geldgeber werden geheim gehalten, Regierungen seien aber keine darunter, sagte Jakunin beim diesjährigen Treffen des Forums auf Rhodos vor der Presse.

Rund 400 Teilnehmer aus mehr als 50 Ländern kamen am Wochenende auf der griechischen Insel vor der türkischen Küste zusammen. Nichts Geringeres als die Suche nach einer gerechteren Weltwirtschaftsordnung im Gefolge der Krise war diesmal das Hauptthema. Ruslan Grinberg, Chef des Wirtschaftsinstituts der Russischen Akademie der Wissenschaften, verglich die Debatte um eine neue Weltwährung statt des Dollars mit der Welt-Verkehrssprache: "Esperanto statt Englisch wäre fair - aber es funktioniert nicht." (Josef Kirchengast aus Rhodos/DER STANDARD, Printausgabe, 11.10.2010)